Heute: Trauerkundgebung in Solingen-Höhscheid

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Wir trauern um die 4 köpfige bulgarische Familie, die am 25. März 2024 bei einem Brand in der Grünewalder Straße ums Leben kam. Die Eltern waren 28 und 29 Jahre, das eine Kind knapp drei Jahre alt und ein Säugling fünf Monate.

Und wir sorgen uns um die Schwerverletzten.

Die zuständige Staatsanwaltschaft Wuppertal teilte heute mit, dass „im Treppenhaus des betroffenen Gebäudes Reste von Brandbeschleuniger festgestellt wurden.“
Daher müsse man „von einer vorsätzlichen Brandstiftung ausgehen. Es wird unter anderem wegen Mordes und versuchten Mordes ermittelt.
Eine eingerichtete Mordkommission (MK Grün) ermittelt ergebnisoffen. Einen Tatverdacht gegen eine konkrete Person liegt bislang nicht vor.
Anhaltspunkte für ein fremdenfeindliches Motiv gibt es aktuell nicht.“

Das sehen wir nach den Erfahrungen mit dem mörderischen Brandanschlag von Solingen 1993, nach den NSU-Morden, nach Hanau und Halle anders.

Die aktuell laufende rassistische Mobilisierung erinnert – nicht nur uns – an die gesellschaftliche Stimmung der 90iger Jahre vor Rostock, Mölln und Solingen.

Und wir sehen bei der aktuellen Hetze gegen Migrant*innen und Geflüchteten leider zahlreiche „Anhaltspunkte“ für eine rassistische Gewalttat.

Wir müssen wachsam sein.
Wir trauern um die Todesopfer.
Kommt alle!

Trauerkundgebung in Solingen-Höhscheid am 28. März 2024 um 17:00 Uhr vor dem Haus Grünewalder Straße 69


Es rufen auf:
Türkischer Volksverein Solingen und Umgebung e.V.

Armin T. Wegner Gesellschaft
Antifaschist*innen aus dem Bergischen Land
Solinger Appell

Kontakt: erinnern-heisst-handeln@web.de

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Gedenkwanderung zum 79. Jahrestag des Burgholz-Massakers

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17.3.2024 – 14:30 Uhr
Treffpunkt: Bushaltestelle Obere Rutenbeck/Küllenhahnerstr.
Die Wanderung wird zum „Erinnerungsort Burgholz“ am Helena Matrosowa-Platz (Zimmerplatz) führen und anschließend zum ehemaligen Massengrab. Bringt Blumen mit!

Vor 79 Jahren ermordeten Angehörige der Wuppertaler Kriminalpolizei und Gestapo 30 Zwangsarbeiter:innen aus der ehemaligen Sowjetunion und verscharrten sie in einem Massengrab in der Nähe des Schießstandes der Wuppertaler Polizei. Der Zeuge Artur Hugendick berichtete von einem Zusammentreffen mit dem Kriminalbeamten Wilhelm Ober im Frühjahr 1945, der offensichtlich gerade von der Exekution zurückkam: „Ober trug an dem Tage die SD-Uniform. Dabei fragte ich ihn, wie er zu dieser Uniform käme, worauf er mir antwortete, sie hätten an dem fraglichen Tage im Burgholz mehrere Russen erschossen, woran auch er teilgenommen hätte. Hierbei äußerte er noch, dass das eine ganz prima Angelegenheit [sic] wäre, und am kommenden Dienstag würden weitere Erschießungen vorgenommen. Sofern ich Lust hätte, würde er mich dazu einladen. Ich habe dieses Ansinnen jedoch sofort abgelehnt, und wir haben über dieses Thema nicht weiter gesprochen.“

Die Täter wurden später von der britischen Militärjustiz in Hamburg im sog. Burgholz-Case verurteilt.

Die Ermordung der 30 Zwangsarbeiter:innen Mitte März 1945 war nicht das einzige NS-Verbrechen im Burgholz. Das Waldgebiet diente gesichert ab 1943 als Hinrichtungsort der Wuppertaler Gestapo. Am 5. Juli 1944 wurden zwei Zwangsarbeiter, Wassili Podlesni und Michael Jurinzoz, im “Waldgebiet Burgholz” ermordet. Die Gestapo vermerkte, die Zwangsarbeiter seien durch „plötzlichen Herzstillstand“ ums Leben gekommen ist. Die Wuppertaler Gestapo ließ die Leichen aus dem Burgholz noch per Auto nach Hagen ins Krematorium bringen.

Das Morden ging auch 1945 weiter: Auch am 13. April 1945, die Alliierten standen kurz vor Wuppertal, ermordeten zwei Gestapo-Schergen, die Herren Lorenz Waldorf und Bernhard Poleschke den Bonner Polizei-Oberstleutnant Peter Schäfer im Burgholz. Schäfer, überzeugter Nationalsozialist und NS-Täter z,B. in der Bonner Pogromnacht 1938, war wegen angeblich defaitistischer Äußerungen vom SS- und Polizeigericht verurteilt und in letzter Minute ermordet worden.
Der Gestapobeamte Lorenz Waldorf sagte zum Mord folgendes aus: „Wir brachten ihn in einem Wagen nach Burgholz etwa 150 m im Tale auf dem Wege von der Wegkreuzung nach Solingen. Den Platz kann ich zeigen. Da stiegen wir aus. Poleschke, ich und der Oberstleutnant [Peter Schäfer] gingen runter. Ich bin als erster angekommen und habe mich dann herumgedreht und auf die anderen gewartet. Beim Ankommen des Oberstleutnant habe ich die Pistole genommen und auf ihn geschossen. Er ist sofort umgefallen und dann habe ich noch einen zweiten Schuss abgeben und zwar einen Genickschuss. Dann kam der Fahrer auch hinzu mit einem Spaten und weil es ziemlich spät war, haben wir ein niedriges Loch gegraben, wo wir den Körper hineinlegten. Vor dem haben wir ihm den Rock und den Mantel ausgezogen. Nach dem haben wir ein kleines Paket und sein Reisenecessaire in die Wupper geworfen.“

Veranstalter:innen: Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal e.V.,

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7. März 2024 // Gedenken an Oswald Laufer – Militanter Sozialdemokrat, Jude und Antifa

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Oswald Laufer – Das erste Opfer der Nazibarbarei in Wuppertal!

»A streetfighter against the Nazis and, in retrospect, a genuine hero«
(Gerd Korman, Neffe von Oswald Laufer)

Militanter Sozialdemokrat, Jude und Antifa

Niemand ist vergessen!

7. März 2024 – 18:00 Uhr // Gedenkveranstaltung der Jusos an der Gedenktafel am Karlsplatz // Wuppertal-Elberfeld

Oswald Laufer wurde am 8.4.1905 in Elberfeld geboren. Er stammte aus einer jüdischen Familie, die Anfang des 19. Jahrhundert nach Wuppertal eingewandert war. Er war gelernter Kaufmann und arbeitete im Altwarengeschäft seines Vaters Simon Laufer in der Wilhelmstraße 45 mit.

Während seine Eltern in der jüdischen Gemeinde Elberfelds angemeldet waren, schloss sich Laufer der Arbeiterbewegung an. Er wurde Mitglied der SPD und des Reichsbanners, wo er seit Ende 1930 einer der Führer der Elberfelder Schutzformation (Schufo) war.

In Elberfeld war er 1932 an der militanten Kampagne gegen den SA-Treffpunkt »Deutsche Eisdiele« an der Neuen Fuhrstraße beteiligt. Am Rommelspütt vertrieb er im Juni 1932 zusammen mit etwa 100 Antifaschist:innen eine Gruppe von SA-Leuten. Für diese Aktion wurde er wegen Landfriedensbruch zu 4 Monaten Gefängnis verurteilt. In der Elberfelder Südstadt war er an den parteiübergreifenden Aktionen, von Reichsbanner und Antifa (Kampfbund gegen Faschismus), zum Schutz der Reichsbanner Gaststätte von Maria Runkel in der Blumenstraße beteiligt.

Nach dem 30.1. 1933 wurde es zunehmend gefährlicher für Laufer. Er war den Nazis als Jude, Reichsbanner und militanter Antifaschist besonders verhasst. Kurz nach dem Reichstagsbrand gehörte er zu den ersten politischen Aktivist:innen, die von der Politischen Polizei in Schutzhaft genommen wurden. Nach einer Woche kam er am 7.3.1933 mittags überraschend aus der Haft frei und konnte nach Hause zurück kehren. Damit war er aber auch wieder für seine politischen Gegner greifbar.

Am frühen Abend »entdeckten« 5 bewaffnete SA-Männer aus dem SA-Sturmlokal in der Luisenstraße Oswald Laufer vor dem elterlichen Geschäft in der Wilhelmstraße. Sie griffen ihn an, Laufer versuchte in einen Hinterhof zu flüchten, wurde aber dort von drei Pistolenschüssen in Hals und Brust tödlich getroffen.

Sowohl die deutschnationale Zeitung BMZ als auch das Nazi-Blatt »Wuppertaler Zeitung« rechtfertigen den Mord von Oswald Laufer öffentlich mit seinem militanten Engagement gegen die Nationalsozialisten.

Für die BMZ war »Laufer […] einer der bekanntesten und rabiatesten Hetzer gegen den Nationalsozialismus.« Die Nazi-Zeitung schrieb »Bolschewistischer Mordhetzer erschossen«. »Drei Kopfschüsse haben dem Treiben dieses Verräters ein Ende gemacht. […] Der Fall möge eine Warnung für das bolschewistische Untermenschentum sein, denn der Nationalsozialismus ist nicht gewillt, weiter die gemeinen Hetzereien kommunistischer Provokateure zu dulden.«

Laufer wurde von seinen Eltern auf dem jüdischen Friedhof auf dem Weinberg begraben. Seine Eltern, Simon bzw. Netty Laufer wurden im Ghetto Łódź bzw. in der Vergasungsanstalt Chełmno ermordet. Nur zwei der Täter wurden nach 1945 zur Verantwortung gezogen.

Die SA-Männer Erich Wohlgemuth und Willi Schneider wurden zu 4 Jahren bzw. 5 Jahren Zuchthaus verurteilt.

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Say Their Names – Erinnern heißt verändern: 4 Jahre nach dem rassistischen Anschlag vom 19. Februar 2020

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Für Samstag, den 17.02. ruft das Bündnis „Wuppertal stellt sich quer!“, welches zuletzt die Demo „Gemeinsam und solidarisch! Gegen Ausgrenzung, Hass und Hetze!“ mit über 10.000 Teilnehmenden veranstaltet hat, erneut zu einer Demo gegen Rassismus, den Rechtsruck und die AfD auf.

Die Kundgebung beginnt um 12:00 Uhr auf dem Johannes-Rau-Platz am Rathaus Wuppertal Barmen und steht unter dem Motto „Say Their Names – Erinnern heißt verändern: Gedenken an die Opfer des rechtsextremen Terroranschlages von Hanau“. Im Anschluss an die Kundgebung zieht die Demo über den Werth und die B7 zum Berliner Platz.

Zu einer bundesweiten Gedenkdemo am 17. Februar in Hanau ruft die Initiative 19. Februar auf. Beginn in Hanau ist um 14:00 Uhr auf dem Kurt-Schumacher-Platz.

Vier Jahre sind vergangen, seit Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov am 19. Februar 2020 von einem rechten Täter bei einem Terroranschlag in Hanau getötet wurden.

Ihre Namen erinnern daran, dass die Vernichtungsphantasien und Umsturzpläne extrem rechter Netzwerke tödlich enden. Die Opfer dieses Terroranschlages stehen stellvertretend für die seit 1990 mindestens 219 ermordeten Menschen durch rechte Gewalt und dem dahinterstehenden Weltbild, das durch AfD und andere Organisationen ungezügelt verbreitet wird. Auch wenn es Mut macht, gerade so viele Menschen auf den Straßen dieses Landes gegen die Deportationspläne der AfD zu sehen:

Rassismus und Antisemitismus durchziehen alle Strukturen der Gesellschaft. Das führt dazu, dass nicht alle Menschen in diesem Land gleichermaßen geschützt werden. Auch dafür steht Hanau seit vier Jahren.

Angehörige und Überlebende fordern bis heute eine angemessene Erinnerung und eine lückenlose Aufklärung der Tat und des massiven Versagens der Behörden. So hatte der Täter eine offizielle Waffenerlaubnis, obwohl er seit Jahren wegen extremer verschwörungsideologischer Anzeigen polizeilich bekannt war. Seine Aussagen darin sind teilweise identisch mit seinem späteren Tötungs-Manifest. Ein Jahr vor seiner Tat in Hanau drohte er einer Frau gewaltvoll, auch mit dem Einsatz von Waffen. Beides wurde von den zuständigen Polizist*innen verharmlost. Der Vater des Täters schreit bis heute in Hanau sein rassistisches Weltbild in die Straßen. Und bedroht und verfolgt ungehindert Angehörige der Opfer sowie Jugendliche. Diese wenigen Beispiele zeigen, daß staatliche Organe ihrer Schutzfunktion nur ungenügend nachkommen. Der rassistische Mordanschlag in Hanau, erinnert beklemmend an den Umgang mit den Morden des NSU in den 2000ern und den Verfehlungen rund um den Solinger Mordanschlag 1993.

Erinnern heißt verändern. Indem wir uns und allen anderen immer wieder die Geschichten der Ermordeten erzählen, kämpfen wir gegen die Normalisierung von Rassismus und Antisemitismus.

Wir rufen dazu auf, am 17. Februar nach Hanau zu fahren und Seite an Seite mit Angehörigen und Überlebenden dieser mörderischen Tat zu gedenken oder zusammen mit dem Bündnis „Wuppertal stellt sich quer!“ in Wuppertal auf die Straße zu gehen, um an die Opfer zu erinnern und Konsequenzen zu fordern.

Bringt eure Freund*innen, Familien und Nachbar*innen mit und lasst alle wissen, dass wir gemeinsam gegen rassistische Bedrohung und Gewalt kämpfen. Heute und jeden Tag.

Für eine Gesellschaft, in der Rassismus, antimuslimischer Rassismus, Antiziganismus und Antisemitismus nicht die Normalität sind, für niemanden. In der wir nicht auf den nächsten Anschlag warten, sondern sicher und gemeinsam leben können.

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Demo am 26. Januar: AFD-Geschäftstelle in Wuppertal-Heckinghausen dichtmachen!

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Rassistische Politik stoppen! — Faschismus bekämpfen! — Entnazifizierung jetzt! — AfD-Verbot jetzt!

Die menschenverachtende Abschottungspolitik an den europäischen Außengrenzen, rassistische Polizeimorde, geheime Nazi-Treffen, Pläne, migrantisierte Menschen millionenfach zu vertreiben. Wir sagen: Es reicht! Jetzt laut und geschlossen auf die Straße. Gegen diese rassistische Politik und für Entnazifizierung!

Schließen wir alles erstes die Wuppertaler AfD-Geschäftsstelle in Wuppertal in der Heckinghauserstr. 247.

Wir ziehen mit unserer Demo durch Oberbarmen und Heckinghausen, weil beide Viertel – immer schon – migrantisch geprägt sind. Hier leben viele Menschen, die die AFD-Nazis deportieren lassen wollen.

Da ist die richtige Gegend, um gegen die Pläne der AFD und ihrer Steigbügelhalter*innen zu demonstrieren.

Alle zusammen gegen den Faschismus

Demonstration – Freitag, 26. Januar 2024
Treffpunkt: 18:00 Uhr am Wupperfelder Markt
Wuppertal-Oberbarmen

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27.01. – Nie wieder Faschismus! Gedenkrundgang zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz – Holocaust-Gedenktag in Wuppertal

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Nie wieder Faschismus! Nie wieder Auschwitz!

Wuppertaler Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus

Kommt zum Gedenkrundgang am 27.1.2024

Treffpunkt: 11.00 Uhr vor der Stadtbibliothek Wuppertal-Elberfeld, Kolpingstr 8.
(Achtung – Treffpunkt von 12.00 Uhr auf 11.00 Uhr verschoben!)

Am 27.1.1945 wurde das Vernichtungslager Auschwitz von der Roten Armee befreit.

Wir gehen auch dieses Jahr wieder in Erinnerung an die Millionen Opfer der Nazi-Barbarei auf die Straße!

Niemand ist vergessen!

Unser Gedenkrundgang führt uns dieses Jahr zum Rita und Izchok Gerzst-Park an die Josefstraße, in Erinnerung an die jüdischen Widerstandskämpfer*innen aus Wuppertal, insbesondere an den Kommunisten Izchok Gerzst, der in den Wuppertaler Gewerkschaftsprozessen zu einer Zuchthausstrafe verurteilt wurde und später nach Auschwitz deportiert wurde. Er kam kurz vor der Befreiung von Auschwitz auf dem Todesmarsch ums Leben. Wir erinnern im Park auch an die Widerstandsgeschichte von Richard Barmé und an die antifaschistischen Aktivitäten der Gebrüder Zuckermann während des Spanischen Bürgerkrieges und des Exils.

Aus aktuellem Anlass werden wir dieses Jahr auch an den 93 jährigen Jochanaan Meinrath erinnern. Zusammen mit seinem Sohn Manny wird er seit dem mörderischen Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 vermisst. Jochanaan Meinrath ist der Enkel von Josef Norden, der Rabbiner der Jüdischen Gemeinde in Elberfeld von 1907 bis 1935 war. Josef Norden wurde 1942 von Hamburg aus in das KZ Theresienstadt deportiert, wo er starb. Seine Tochter Elfriede konnte mit ihrem Ehemann und ihren Kindern 1936 nach Palästina fliehen. Jochanaan Meinrath war ihr Sohn. Im Alter von zehn Jahren verlor Jochanaan Meinrath seinen Vater im September 1940 bei einem Luftangriff eines italienischen Bombers auf Tel Aviv.

In tiefer Verbundenheit mit den Opfern des 7. Oktober 2023!

#Bring them home now!

L’Chaim – Es lebe das Leben!

Zurück auf die Straße gegen Islamisten und Faschisten!

Nie wieder ist heute!

 

Weitere Veranstaltung zum 27. Januar in Wuppertal

Samstag, 27.01.2024, 15:00 Uhr
Treffpunkt: Begegnungsstätte Alte Synagoge

Namen und Menschen
Rundgang zu den „Stolpersteinen“ in Wuppertal Elberfeld

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Gedenkrundgang zum Novemberpogrom 1938

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Einladung zum Gedenkrundgang zum Novemberpogrom 1938 in Wuppertal

9. November 2023 – 18:00 Uhr vor der Stadtbibliothek, Wuppertal-Elberfeld, Kolpingstr 8.

Gedenkrundgang

Vor 85 Jahren wütete auch in Wuppertal der Nazimob und griff das Leben der jüdischen Wuppertaler:innen an. Kurz nach Mitternacht, am Morgen des 10. Novembers 1938, wurden die ersten Schaufenster von jüdischen Geschäften in der Elberfelder Innenstadt eingeworfen. Die Täter, unter ihnen der SS-Mann und Versteigerer Bruno Koepchen, fuhren mit der Kraftdroschke vor. In der Herzogstraße warfen sie beim Schuhhaus Tack und anderen jüdischen Geschäften mit Flaschen die Schaufensterscheiben ein. Der Fahrer brachte sie nach kurzem Zwischenstopp in der Kreisleitung der NSDAP zur Synagoge in die Elberfelder Genügsamkeitstraße. „Die Herren stiegen aus und begaben sich zur Synagoge. Da sie durch das Hauptportal nicht in die Synagoge hinein konnten, gingen sie von der Seite aus, durch den dort befindlichen Eingang in die Synagoge. Nach einiger Zeit sah ich dann, dass die Synagoge brannte.“

Der Novemberpogrom in Wuppertal dauerte bis zum 11. November 1938. Die Nazis demolierten und zündeten die Synagogen und Betsäle an. Zahlreiche jüdische Geschäfte und Privatwohnungen wurden teilweise am helllichten Tag verwüstet und geplündert.

Die Zerstörungen mussten die Juden per „Sühneabgabe“ selber zahlen. Insgesamt 1 Milliarde Reichsmark mussten reichsweit für die „Judenvermögensabgabe“ zum Ausgleich der Schäden aufgebracht werden. Die Finanzämter „gewährten“ Ratenzahlungen, die in fünf Raten eingezogen wurden. Wer jetzt noch auswandern konnte, musste auch den Rest seines Vermögens den deutschen Finanzämtern überlassen.

Erinnern möchten wir auch an die jüdischen Menschen aus Wuppertal, die während des Pogroms ermordet wurden, sich aus Verzweiflung das Leben nahmen oder an dem Schock der gewalttätigen Übergriffe starben. Zu nennen sind der Arzt Dr. Theo Plaut und seine Frau Elli, die sich am 15. November 1938 das Leben nahmen. Der Kaufmann Alfred Fleischhacker erhängte sich am 8. Dezember 1938, kurz nach seiner Entlassung aus dem KZ Dachau. Die 73 jährige Johanna Siéradzki wurde in der Pogromnacht in ihrer Wohnung in der Ekkehardstraße 15 (damals Mittelstraße) überfallen und erlitt einen Gehirnschlag, an dem sie am 13. November 1938 verstarb.

Niemand ist vergessen!

Nie wieder ist heute!

In tiefer Verbundenheit mit den Opfern des 7. Oktober 2023!

L’Chaim – Es lebe das Leben!

Bringt Blumen mit!!


Hintergrund:

Der Novemberpogrom in Wuppertal

Die Täter brauchten nicht den Schutz der Nacht. Wenn die jüdischen Einrichtungen nicht restlos abbrannten, kamen sie bis zu dreimal an den Tatort wieder. Am 10. November um 4:00 Uhr brannte die Synagoge an der Genügsamkeitsstraße, um 8:00 Uhr wurde die Barmer Synagoge in der Scheurenstraße angezündet. Um 18:00 Uhr kamen die Brandstifter wieder in Genügsamkeitsstraße und legten erneut Feuer. Die Friedhofskapellen am Weinberg und an der Hugostrasse brannten schließlich um 20:00 Uhr.

Die kleinen jüdischen Betsäle der orthodoxen und ostjüdischen Gemeinde in der Luisenstraße wurde „nur“ demoliert und geplündert, weil das Gebäude im „arischen“ Besitz war und nicht angezündet werden durfte.

Nur wenig im öffentlichen Bewusstsein ist, dass die Elberfelder Synagoge – so eine eindeutige Zeugenaussage -, u.a. von Feuerwehrleuten angezündet wurde. Insgesamt waren in der Wuppertaler „Feuerlöschpolizei“ zahlreiche sog. Alte Kämpfer der SA und der NSDAP tätig. In diesem Geist formulierte auch der Oberstleutnant der Feuerlöschpolizei, Hermann Wessels, in seinem offiziellen Einsatzbericht zum Elberfelder Synagogenbrand hämisch: „Eigentümer: Jüdische Gemeinde. Stand: Parasiten, Wohnung: Parasiten“.

Das Bettengeschäft Sigismund Alsberg in der Berliner Straße wurde dreimal angesteckt. Kissenbezüge und Betten wurden geraubt. Die Herzogstraße, die Neumarktstraße (Hermann-Göring-Straße) und die damalige Königstraße (Straße der SA) (heute Friedrich-Ebert Straße) in Elberfeld waren mit Waren und mit zertrümmerten Gegenständen aus jüdischen Geschäften übersät. In der Grünstraße waren ganze Wohnungseinrichtungen aus dem Haus geworfen worden, in der Elberfelder Wortmannstraße wurde ein Auto in Brand gesetzt. Sogar das jüdische Altenheim in Elberfeld wurde nicht verschont. Mindestens 270 jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden in Wuppertal angegriffen und verwüstet.

Bericht der Feuerwehr (Landesarchiv NRW Rheinland)

Die Gestapo und der Novemberpogrom

Die Gestapo-Führung in Berlin, aber auch die lokalen Gestapo-Dienststellen wurden von dem Novemberpogrom vollkommen überrascht. Die Wuppertaler Gestapoaußendienststelle und ihre Nebenstellen in Solingen, Remscheid und Barmen hatten keinerlei Zugriff auf die Ereignisse. Holger Berschel resümierte für den gesamten Regierungsbezirk Düsseldorf: „Die Gestapo war zu keiner Zeit in der Lage, die Ausschreitungen tatsächlich zu kontrollieren. Sowohl der Beginn der Aktion als auch ihr Ende wurden von der Partei angeordnet.“

Am 9. November 1938 wies Gestapo-Leiter Heinrich Müller erst um 23:55 Uhr in einem Fernschreiben alle Stapostellen an, sich auf „Judenaktionen“ einzustellen: „1. Es werden in kürzester Frist in ganz Deutschland Aktionen gegen Juden, insbesondere gegen deren Synagogen, stattfinden. Sie sind nicht zu stören. Jedoch ist Benehmen mit der Ordnungspolizei sicherzustellen, dass Plünderungen und besondere Ausschreitungen unterbunden werden können. 2. Sofern sich in Synagogen wichtiges Archivmaterial befindet, ist dieses durch eine sofortige Maßnahme sicher zu stellen. 3. Es ist vorzubereiten die Festnahme von etwa 20-30.000 Juden im Reiche. Es sind auszuwählen vor allem vermögende Juden. Nähere Anordnungen ergehen noch im Laufe der Nacht.“

Am 10. November 1938 um 1:20 Uhr präzisierte Reinhard Heydrich als Chef der Sicherheitspolizei, also der Gestapo und der Kripo, die Anweisungen zum Pogrom in einem Blitz-Fernschreiben: „a) Es dürfen nur solche Maßnahmen getroffen werden, die keine Gefährdung deutschen Lebens oder Eigentums mit sich bringen (z.B. Synagogenbrände nur, wenn keine Brandgefahr für die Umgebung vorhanden ist), b) Geschäfte und Wohnungen von Juden dürfen nur zerstört, nicht geplündert werden. Die Polizei ist angewiesen, die Durchführung dieser Anordnung zu überwachen und Plünderer festzunehmen.“ Darüber hinaus sollten, sobald es die Kräfte zuließen, „in allen Bezirken so viele Juden [wie möglich] insbesondere wohlhabende“ festgenommen werden. Es seien „zunächst nur gesunde männliche Juden nicht zu hohen Alters festzunehmen“ und die unverzügliche Überstellung in Konzentrationslager vorzubereiten.

Festnahmeaktion

Diese Festnahmeaktion wurde von der Gestapo Düsseldorf als „Vergeltungsaktion für v. Rath gegen Juden“ deklariert. Der zu verhaftende Personenkreis wurde im Gestapo-Jargon als „Aktionsjuden“ oder als „Novemberjuden“ bezeichnet

Die Düsseldorfer Gestapo hatte als erste Reaktion auf die befohlene Festnahme-Aktion die Inanspruchname von Justizgefängnissen genehmigt. In Wuppertal, Solingen, Remscheid und Velbert begannen schon in der Nacht auf den 10. November 1938 die ersten Verhaftungen.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit organisierten die lokalen Gestapostellen mit ihren „Judensachbearbeitern“ die Verhaftungsaktion. Verantwortlich für Wuppertal waren der Leiter der Gestapoaußendienststelle Wilhelm Müller und der Leiter der „Kulturabteilung“ Ernst Hartmann, in Solingen Josef Koke und in Remscheid Johann Jung als Leiter der Gestaponebenstellen.

46 jüdische Männer aus Wuppertal und Velbert wurden im Justizgefängnis Wuppertal-Bendahl und eine unbekannte Zahl von jüdischen Personen im Barmer Justizgefängnis an der Sedanstraße eingesperrt. Auch die Polizeigefängnisse in der Bachstraße und in der Von der Heydts Gasse wurden belegt. In Solingen und Remscheid wurden das Polizeigefängnis im Stadthaus und in der Uhlandstraße genutzt.

Die genaue Anzahl der Verhafteten ist nicht bekannt. Am 16. November 1938 wurden etwa 125 männliche Juden aus dem Bergischen Land in einem gemeinsamen Transport aus Düsseldorf mit anderen Juden aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf ins Konzentrationslager Dachau deportiert.  Die anderen jüdischen Schutzhäftlinge, die meist älter als 55 Jahre oder als nicht „arbeitsfähig“ oder „lagerfähig“ kategorisiert waren, wurden nach wenigen Tagen wieder freigelassen.

Deportation nach Dachau

Der genaue Ablauf der Deportation nach Dachau ist nicht bekannt. Sicher ist, dass die Häftlinge im Laufe des 17. Novembers 1938 im KZ Dachau ankamen. Überliefert ist eine Anweisung der Wuppertaler Gestapo an das Gefängnis Wuppertal-Bendahl, 32 jüdische Häftlinge am 16. November 1938 um 7:45 Uhr „zwecks Abtransport mittels Autobus bereitzuhalten“.

Ein Deportierter, Erich Löwenstein, der auch in Bendahl einsaß, erinnerte sich, dass er mit 20-30 Juden mit Bussen zum Viehhof am Arrenberg transportiert und via Bahnhof Steinbeck nach Düsseldorf gebracht wurde, von wo der Sammeltransport nach Dachau startete. „Dort waren Hunderte aus der ganzen Region, aus Köln, aus Düsseldorf, aus Aachen, aus Wuppertal.“

Aus einer Notiz über einen telefonischen Befehl der Düsseldorfer Gestapo an die Gestapoaußendienststelle Krefeld vom 14. November 1938 wissen wir, dass die Gestapo selbst die Bewachung des Transportes übernommen hat. In dem Befehl hieß es: „Als Begleitpersonal für die Fahrt nach Dachau sind 5 (fünf) Beamte der dortigen Außendienststelle zu entsenden. Bewaffnung und Ausrüstung: Pistole, 20 Schuß Munition, Signalpfeife und Schließkette. Vorsorglich ist für 12 Stunden Verpflegung mitzunehmen, da im Zuge keine Möglichkeit für die Bereitung von Verpflegung besteht. Für die Häftlinge ist keine Marschverpflegung mitzugeben.“ Nach Aussage des Wuppertaler Gestapo-Beamten Eugen Pedrotti wurde der Dachau-Transport auch von dem Wuppertaler „Juden-Sachbearbeiter“ Friedrich Pentinghaus begleitet.

Im KZ Dachau wurden die Juden aus unserer Region zwischen einem und drei Monate eingesperrt und mit der ganzen Brutalität des Lagerlebens konfrontiert. Mindestens eine Person, der Solinger Gustav Joseph, überlebte die Haftbedingungen in Dachau nicht. Er starb in der Nacht vom 2. auf den 3. Januar 1939.

Die Inhaftierungen in Dachau und anderen Konzentrationslagern wurden in vielen Fällen vom NS-Regime als Druckmittel eingesetzt, um die „Arisierung“ der jüdischen Geschäfte und Firmen und die Auswanderung zu beschleunigen. Eine frühzeitige Haftentlassung wurde von der Gestapo in vielen Fällen an die Bereitschaft gekoppelt, die Geschäfte und Firmen schnell zu arisieren oder zu liquidieren oder eine rasche Auswanderung unter Zurücklassung des Großteils des Besitzes zu betreiben.

Die Freilassung der Häftlinge waren daher keine „Großzügigkeit“ der örtlichen Gestapo oder der besonderen „Humanität“ des örtlichen Außendienststellenleiters und einzelner „Gestapo-Sachbearbeiter“ geschuldet, sondern das GESTAPA in Berlin hatte in einem Runderlass vom 16. November 1938 Voraussetzungen für die Entlassungen formuliert.

Berschel fasste Heydrichs die Direktiven wie folgt zusammen: „Häftlinge, die `zur Einleitung oder Fortführung von Arisierungsverhandlungen benötigt werden´ seien sofort zu entlassen. Dabei sei im Interesse der erwünschten Arisierung großzügig zu verfahren.“ Auch seien Juden sofort zu entlassen, „wenn dies ein dringendes Bedürfnis der deutschen Wirtschaft, insb. aber des deutschen Exports“ sei. Zusätzlich ordnete Heydrich die Entlassung von körperbehinderten, kranken und über 60 Jahre alten jüdischen Häftlingen an. Schließlich, so formulierte Berschel, sollte „eine bevorstehende Auswanderung nicht gestört werden.“

Täter

Nach 1945 wurden übrigens nur wenige Nationalsozialisten für die Teilnahme am Pogrom in Wuppertal als Täter verurteilt. Unter ihnen waren der ehemalige NSDAP-Kreisorganisationsleiter Wilhelm Peters und der Versteigerer und SS-Mann Bruno Koepchen.

Bruno Koepchen stammt übrigens aus der bekannten Versteigerer-Familie Koepchen / Wiedenstritt. Er wurde nach 1945 wegen der Brandstiftung der Elberfelder Synagoge zu zwei Jahren Haft verurteilt. Der überzeugte Nazi, er war seit 1930 Mitglied der NSDAP, rückte am 6.9.1939 zur Ausbildung zur SS-Totenkopf-Standarte nach Dachau ein und leistete seinen SS-Dienst als Wachposten im KZ Dachau und später im KZ Flossenbürg. 1940 ist sein Dienstgrad Rottenführer. Anfang Juni 1941 wechselte er als SS-Sturmmann zur Inspektion der Konzentrationslager nach Oranienburg. Ab den 3. 2.1941 stieg der SS-Mann zum Sachbearbeiter im SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt auf. In der Abteilung D IV/ 4 bearbeitete er im Bereich KZ-Verwaltung. Am 1.5.1942 wurde er zum SS-Unterscharführer befördert. Es ist unklar, wann Bruno Koepchen zurück nach Wuppertal kommt, sicher ist aber, dass das Versteigerungshaus Koepchen ab 1941 von der Gestapo beauftragt wurde, nach jüdischem Besitz in Wuppertal zu fahnden und später jüdischen Besitz auf großen Versteigerungen an die deutschen Volksgenossen weitervertickte. Unmittelbar nach den Deportationen wurde der Hausrat und die Wohnungseinrichtungen von Mitarbeitern vom Finanzamt taxiert und bei öffentlichen Versteigerungen wie im Evangelischen Vereinshaus, in den Wohnungen der Deportierten oder in den Versteigerungslokalen von Koepchen und Wiedenstritt regelrecht verschleudert.

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Einige Gedanken zu Status quo und Perspektive der antifaschistischen Bewegung

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Wir dokumentieren an dieser Stelle einen auf Indymedia veröffentlichten Text, da wir der Meinung sind, dass es ein wichtiger Debattenbeitrag zur Situation antifaschistischer Politik in Deutschland ist. 

Nach über eineinhalb Jahren ging am 31. Mai 2023 in Dresden ein Prozess zu Ende, welcher in die Geschichte eingehen wird und neue Maßstäbe im Vorgehen gegen die linke und antifaschistische Bewegung in der Bundesrepublik gesetzt hat. Es ist das erste Mal, dass ein deutsches Gericht seit der Reformierung des 129-Paragraphen im Jahr 2017 einige Linke als „kriminelle Vereinigung“ verurteilt hat. Zu diesem Prozess wurde bereits vieles gesagt, was an dieser Stelle nicht wiederholt werden soll. Mit der Übernahme des Verfahrens durch den Generalbundesanwalt, der Anklage vor dem Staatsschutzsenat eines Oberlandesgerichts und der „besonderen Bedeutung“, die dem Fall verliehen wurde, sollte deutlich gemacht werden: Wer in diesem Land organisiert und konsequent gegen die faschistische Bedrohung eintritt, wird in die Nähe von Terrorismus gerückt. Die langen Haftstrafen sprechen für sich und zeigen eine klare politische Positionierung der Justiz und Sicherheitsbehörden vor dem Hintergrund einer gesellschaftlich erstarkenden Rechten und wachsenden faschistischen Bedrohung.

Mit diesem Urteil geht die erste Runde des Antifa Ost-Verfahrens zu Ende. Leider ist davon auszugehen, dass viele weitere Verfahren folgen werden. Bereits jetzt sind verschiedene neue Prozesse seitens der Behörden in Planung und angekündigt. Der Antifa Ost-Prozess war also erst der Anfang einer viel größer angelegten Repressionswelle, welche antifaschistische Zusammenhänge in den kommenden Jahren treffen und zur Folge haben wird, dass weitere Genoss:innen hinter Gittern landen.

Eine andere Form dieses Durchgreifens konnte man zum sogenannten „Tag X“ in Leipzig und zuvor schon bei den Demonstrationen zur Urteilsverkündung in verschiedenen anderen Städten beobachten. In Leipzig wurde der Protest schlichtweg verboten. Versammlungen von Menschen, welche diesem Verbot zum Trotz Solidarität bekunden wollten, wurden angegriffen. Im vierstelligen Bereich wurden Personalien von Demonstrationsteilnehmer:innen aufgenommen und gegen zwölf Personen wurden Haftbefehle erlassen. Ein Ausmaß an Repression, welches seit den G20-Protesten im Jahr 2017 in Deutschland seinesgleichen sucht. Jenseits aller Diskussionen um die Sinnhaftigkeit der Mobilisierung und der gewählten Protestformen muss festgestellt werden: Der Polizeistaat, mit dem Antifaschist:innen es wohl die nächsten Jahre über weiterhin zu tun haben werden, hat sich an diesem Wochenende in enormer Härte gezeigt. Ziel dahinter ist neben Abschreckung auch eine Verhinderung öffentlich wahrnehmbarer Solidarität und damit einhergehend eine weitere gesellschaftliche Isolation der verfolgten Antifaschist:innen. Der Wind in diesem Land scheint sich zu drehen, nicht erst jetzt, doch eine immer eindeutigere Entwicklung hin zu einem autoritäreren und deutlich härteren Durchgreifen gegen die antifaschistische Bewegung zeichnet sich ab.

Bereits die Wochen und Monate vor dem Urteil waren geprägt von einer Verschärfung der Repression. Auf Basis fadenscheiniger Indizien wurden ganze Häuser vom SEK gestürmt, Türen aufgeschossen und Wohnungen durchsucht. Viele der Durchsuchungen und Maßnahmen werden im Nachhinein von einem Gericht wieder als rechtswidrig eingestuft, doch das interessiert niemanden. Namen, Gesichter und private Informationen von Antifaschist:innen wurden in diversen rechten, aber auch bürgerlichen Medien veröffentlicht und es wurde förmlich zur Jagd auf die Betroffenen aufgerufen. Schnell ist dies mittlerweile scheinbar zur Normalität geworden und fast täglich erschienen reißerische Artikel, in denen eine neue linke Bedrohung heraufbeschworen und die Gefährlichkeit der Beschuldigten betont wird, begleitet von den üblichen hysterischen Schlagzeilen.

Die aus der Vergangenheit bekannte, besorgniserregende Zusammenarbeit zwischen Nazis, Behörden und Teilen der bürgerlichen Presse war dabei einmal mehr zu beobachten. Einige Medien, insbesondere die Springerpresse, machen sich in alter Tradition zum Sprachrohr und Propagandamedium der Behörden, greifen Narrative und „Informationen“ aus Quellen der extremen Rechten auf und erdichten ihre Fiktion von designierten Terroristen noch hinzu. Wie schon in der ersten Runde des Antifa-Ost-Verfahrens wird antifaschistische Praxis von Polizei- und Verfassungsschutzbehörden ohne wahrnehmbaren Widerspruch als „Terrorismus“ oder „an der Schwelle zum Terrorismus“ bezeichnet. Antifaschismus wird als Bedrohung der Bevölkerung dargestellt und es wird von einer „Gewaltspirale“ zwischen links und rechts fantasiert.

Die qualitative und quantitative Zunahme der Repression kann nicht isoliert begriffen werden, sondern ist Teil einer besorgniserregenden gesellschaftlichen Entwicklung. Zunächst ist festzustellen, dass die extreme Rechte in ganz Europa spürbar an Einfluss gewinnt. Dies äußert sich in Deutschland weniger durch das Anwachsen ihrer traditionellen Organisationen, als durch ihre zunehmende Verankerung in der bürgerlichen Gesellschaft. Neben einer Zunahme von Rechtsterrorismus, die insbesondere hierzulande in den letzten Jahren zu beobachten war, werden rechte und faschistische Ideologie und Diskurse immer salonfähiger. Dies geschieht vor dem Hintergrund einer Zuspitzung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und klimatischer Krisen, die sich in den kommenden Jahren weiter fortsetzen wird. Die staatliche Repression gegen die antifaschistische Bewegung wird dabei begleitet von zunehmenden Versuchen einer gesellschaftlichen Isolation und Delegitimierung antifaschistischer Praxis.

Auch wenn es zwischen staatlichen Akteuren und der extremen Rechten bislang nur Überschneidungen gibt, wie sie etwa bei Nordkreuz oder den zahlreichen Polizeiskandalen der letzten Jahre zum Vorschein kamen, gibt es ein geteiltes Interesse. Die Zurückdrängung und teils präventive Zerschlagung der linken und antifaschistischen Bewegung vor dem Hintergrund der Zunahme gesellschaftlicher Krisen. Und der Erfolg dieses Vorgehens ist kaum zu übersehen. Die radikale Linke ist so schwach wie selten zuvor in ihrer Geschichte. Es fehlt an gesellschaftlicher Verankerung, inhaltlicher Klarheit und gemeinsamer Strategie. Gleichzeitig ist die Notwendigkeit einer linken, einer antifaschistischen Antwort auf die gegenwärtigen Entwicklungen offensichtlich. Viele Genoss:innen werden für ihre Überzeugungen und ihre politische Praxis ins Gefängnis müssen – ob aufgrund ihres Engagements in der Klimabewegung oder aufgrund ihrer Betätigung in sozialen oder antifaschistischen Auseinandersetzungen.

Gleichzeitig zu all dem häufen sich auch die Angriffe auf antifaschistische Militanz aus den vermeintlich „eigenen“ Reihen. Verstärkt zu beobachten ist ein sich immer häufiger artikulierendes strategisches Unverständnis antifaschistischer Militanz. Anstatt aber offene Fragen zu formulieren scheint es sich bei bestimmten Teilen der Szene durchzusetzen, die Militanten durch denunziatorische Annahmen zu diskreditieren. In diversen Beiträgen verschiedenster Gruppen und Szeneakteure werden bürgerliche Narrative einer angeblichen „Gewaltspirale“ zwischen links und rechts unkritisch übernommen. Es scheint einigen Akteuren schwerzufallen, solidarische Kritik zu üben oder zumindest zu der Einsicht zu kommen, dass das Fehlen von Nachvollziehbarkeit strategischer Parameter daran liegen könnte, dass man kein Teil von geführten Diskursen der letzten Jahre war. Stattdessen werden anmaßende Verdächtigungen und Spekulationen in den Raum gestellt, garniert mit den üblichen anklagenden Buzzwords wie „Mackertum“, „Gewaltfetisch“ oder „fehlende politische Reflektion“. In ahistorischer Manier wird von „Faschomethoden“ schwadroniert, wo sich Faschisten und ihren Zusammenhängen entschlossen entgegengestellt wurde, antifaschistische Interventionen werden als „Folter“ diskreditiert. In ähnlicher Form werden Erzählungen über den ungehemmten Einsatz von Hämmern oder anderem Handwerksbedarf gegen den Kopf und angebliche Tötungsabsichten, die Nazis oder Springerpresse in die Welt setzen, unkritisch übernommen. Dass hierbei propagandistische Kunststücke der betroffenen Nazis adaptiert werden, scheint kaum jemanden zu stören.

Angesichts dessen, dass zum Thema in den letzten Jahren wenig mit Substanz veröffentlicht wurde, sollen im Folgenden einige Punkte ausgeführt werden, die in den verschiedenen Beiträgen immer wieder ins Auge fielen:

1. Kosten-Nutzen-Rechnung

Oft wird behauptet, aufgrund umfangreicher Ermittlungsmaßnahmen und des Risikos mehrjähriger Haftstrafen, würden sich militante antifaschistische Interventionen nicht „lohnen“. Einen derart ökonomischen Aufrechnungsansatz von Schaden beim politischen Gegner im Verhältnis zum Schaden an den eigenen Strukturen am Beispiel des Antifa Ost-Verfahrens vorzunehmen, ist jedoch zu kurz gedacht. Dieser Logik folgend würde sich Schwarzfahren nicht lohnen, weil ein Fahrschein 3€ kostet, die Stafe aber 60€ beträgt. Diese isolierte Betrachtung offenbart eine gewisse Praxisferne. Es wird vollkommen ausgeblendet, dass Festnahmen und Verurteilungen erstens die absolute Ausnahme und zweitens in der Regel durch entsprechende Vorkehrungen vermeidbar sind. Wenn man schon eine derartige Rechnung aufstellen möchte, muss die Vielzahl an erfolgreichen Aktionen, bei denen die Repression ins Leere lief, miteinbezogen werden.

2. Sinnhaftigkeit antifaschistischer Interventionen

Sowohl die bürgerliche Presse als auch ihre pseudoantifaschistischen Interviewpartner werden nicht müde zu betonen, dass Gewalt gegen Nazis keinerlei Effekt hätte. Belegt wird dies durch einige der Geschädigten des Antifa Ost-Verfahrens sowie die fortgesetzten militanten Aktivitäten der Eisenacher Neonazis. Diese in erster Linie ideologisch motivierte Behauptung zeugt von einer fehlenden Auseinandersetzung mit den Effekten antifaschistischer Interventionen.

Positive Beispiele für die Wirkungen solcher Interventionen gibt es insbesondere in Ostdeutschland viele. Eines der prominenteren Beispiele ist der ehemalige Leipziger NPD-Politiker Axel Radestock, welcher nach einigen militanten Aktionen gegen ihn öffentlichkeitswirksam von allen politischen Aktivitäten zurücktrat. Es ist eher die Regel als die Ausnahme, dass sich organisierte oder gewalttätige Faschisten nach angemessen durchgeführten Interventionen von ihren Aktivitäten zurückziehen. Eine Ausführung dessen würde allerdings den hier gesetzten Rahmen sprengen.

Zudem sei angemerkt, dass Angriffe auf Faschisten nicht nur der Bekämpfung einer rechten Hegemonie im öffentlichen Raum und dem Einschränken des Sicherheitsgefühls der beteiligten Akteure dienen muss. Vielmehr können auch das Sammeln von Erfahrungen und die Optimierung des eigenen Vorgehens zu den positiven Effekten derartiger Interventionen gehören.

3. Exzessive Gewalt

Immer wieder wird betont, dass Gewalt auf das notwendige Maß zu beschränken sei. Das mag von moralischer Integrität sprechen und ist eine Aussage, die sicherlich jede:r, der militant aktiv ist, unterschreiben würde. Gewalt zu minimieren bedeutet aber auch, genug Gewalt anzuwenden, sodass die strategische Zielsetzung mit hoher Wahrscheinlichkeit erreicht wird. Dementsprechend stellen gezielte Angriffe auf einzelne Faschisten oftmals das erforderliche Mittel dar. Ein kontrollierter Angriff, bei dem Intensität und Art der Gewaltanwendung einer sinnvollen Zielsetzung entsprechen, hat in der Regel den gewünschten Effekt. Ganz im Gegensatz zu den üblichen Scharmützeln und Faustkämpfen erlebnisorientierter Männergruppen am Demonstrationsrand, welche leider oftmals ohne das erwünschte Resultat verlaufen – nämlich eine reale Einschränkung des Handlungsspielraums gewalttätiger Faschisten.

Einem Nazi ein blaues Auge oder eine blutige Nase zu verpassen, dient somit häufig lediglich der eigenen Triebabfuhr. Der politische Effekt dessen wird sich bei einem überzeugten und gewalterfahrenen Faschisten jedoch in Grenzen halten, was in der Konsequenz erneute Gewaltanwendung nötig macht. Häufig wird selbst in der radikalen Linken verkannt, dass es sich bei antifaschistischen Interventionen in der Regel nicht um Gewalt als Selbstzweck handelt, sondern um instrumentelle, aus politischer Abwägung und einer gesellschaftlichen Analyse heraus ausgeübte Gewalt.

4. Selbstjustiz

Ähnlich wie Soko LinX und Bundesanwaltschaft immer wieder fälschlicherweise behaupten, es gehe Leuten, die sich bewusst in Auseinandersetzungen mit Nazis begeben, darum „Selbstjustiz“ zu üben, scheint sich auch in linken Kreisen teilweise ein vergleichbares Missverständnis etabliert zu haben. Immer wieder wird in verschiedenen Beiträgen so getan als sei antifaschistische Militanz legitim, weil die betroffenen Nazis „es verdient“ hätten. Unabhängig davon, ob das so ist, geht es bei antifaschistischen Interventionen nicht darum, ein Bedürfnis nach Bestrafung oder Rache auszuleben und sich damit zur Justiz aufzuschwingen. Stattdessen ist das Ziel eine Schwächung des politischen Gegners und eine damit einhergehende Eindämmung des rechten Gewaltpotentials. Antifaschistisches Handeln folgt also in der Regel einer strategischen Zielsetzung und ist nicht bloßer Ausdruck eines Gefühls von Legitimität.

5. Militanter Antifaschismus ist nicht die Ergänzung staatlicher Gewalt

Ähnlich oft wird eigenmächtiges antifaschistisches Handeln, bspw. im Zuge des Antifa Ost-Prozesses, damit begründet, dass „der Staat“ nichts oder zu wenig gegen Nazis unternehme und Antifaschist:innen deshalb tätig werden müssten. Auch wenn das häufig zutrifft, kann und sollte es nicht der primäre Antrieb für antifaschistische Praxis sein. Um eine befreite Gesellschaft aufzubauen, ist es notwendig im Hier und Jetzt die Zusammenarbeit mit den Institutionen des bürgerlichen Staates möglichst zu vermeiden sowie eigene Handlungsfähigkeit und Alternativen zu Polizei und Justiz zu entwickeln.

Faschismus ist als reaktionäres Krisen-Rettungsprogramm des Nationalstaates in einer kapitalistischen Gesellschaft grundsätzlich angelegt. Antifaschismus muss daher neben der Zerschlagung konkreter faschistischer Strukturen die Überwindung der bürgerlichen Gesellschaft zum Ziel haben. Daher ist die Kritik an der Polizei nicht, dass der Staat effektiver das Gewaltmonopol bspw. gegen Neonazis einsetzen sollte, etwa in Form von intensiveren Ermittlungen oder härteren Strafen. Militanter Antifaschismus darf nicht als ehrenamtlicher Ersatz für die Arbeit der Polizei fehlinterpretiert werden, sondern sollte als Gegenkonzept zu einer Institution, die für die Durchsetzung der bürgerlichen Eigentumsordnung verantwortlich ist, verstanden werden.

Um zum Abschluss eines klarzustellen: Natürlich ist es wichtig, über politische Strategie zu diskutieren. Manche Diskussionen sollten öffentlich geführt werden, andere nicht. Antifaschistische Interventionen und ihre Wirkung sollten immer auf ihre Sinnhaftigkeit und auf ihre Konsequenzen hin überprüft und bewertet werden. Offensichtlich gibt es Antifaschist:innen, die sich entschlossen haben, abseits von erlebnisorientiertem Hooliganismus, welcher sich einer Ästhetik schwarzer Outdoorjacken und brennender Mülltonnen bedient, der faschistischen Bedrohung mit einer gewissen Ernsthaftigkeit und Effektivität entgegenzutreten. Diesen einen „Gewaltfetisch“ zu unterstellen, erscheint jedoch reichlich absurd. Dass staatliche Repression fast zwangsläufige Begleiterscheinung eines konsequenten und ernst gemeinten Antifaschismus ist, sollten sich alle bewusst machen.

Die antifaschistische Bewegung steht derzeit vor großen Herausforderungen. Während die staatliche Repression gegen ihre Zusammenhänge und Praxisformen zunimmt, besteht eine ungebrochene rechte Bedrohung. Dem haben wir angesichts realitätsferner oder fehlender inhaltlicher Positionierungen, teilweise kaum vorhandener gesellschaftlicher Verankerung und Schwächen in Organisierung und Mobilisierung oft nur wenig entgegenzusetzen. Doch gerade in den letzten Monaten entsteht auch der Eindruck, dass bundesweit wieder vermehrt das Bedürfnis besteht, sich über antifaschistische Analyse und Strategie auszutauschen. In vielen Zusammenhängen existiert ein Bewusstsein über die Notwendigkeit einer linken und antifaschistischen Antwort auf die gesellschaftlichen Krisen unserer Zeit. Daran gilt es anzuknüpfen. In Bezug auf die Repression muss die Dynamik einer anlassbezogenen und kurzweiligen Solidaritäts-Hektik überwunden werden, hin zu dauerhafteren und kontinuierlich arbeitenden Solidaritätsstrukturen und politischen Zusammenhängen, die dem staatlichen Druck standhalten können.

Gerade jetzt müssen wir zusammenstehen, uns organisieren und politische Perspektiven erarbeiten. Das Antifa Ost-Verfahren hat neben all seinen schlechten Seiten auch gezeigt, wie ausdrucksstark Solidarität sein kann. Kein Verrat, keine Haftstrafe und keine Polizeigewalt mindert die Notwendigkeit und Richtigkeit von Antifaschismus. Es ist an uns allen, die Gefangenen nicht alleine zu lassen und die in den kommenden Jahren von Repression Betroffenen zu unterstützen. Damit sind nicht nur die unmittelbar Betroffenen, sondern auch ihre Angehörigen und Freund:innen gemeint. Wir sollten versuchen, diese Repressionswelle zum Anlass zu nehmen, wieder näher zusammenzurücken und, so schwierig das auch wird, neue Kraft daraus zu ziehen. Indem wir inhaltlich diskutieren und unsere Analysen und Strategie weiterentwickeln. Indem wir dafür sorgen, dass niemand alleine gelassen wird und keine Mauern uns spalten und isolieren können. Und indem wir uns antifaschistisch organisieren und dem Vormarsch der (extremen) Rechten eine fortschrittliche Perspektive und unseren organisierten Widerstand entgegensetzen – auf allen Ebenen, mit allen Mitteln!

Source: https://de.indymedia.org/node/297643

 

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