Wir dokumentieren an dieser Stelle eine Recherche, die wir per E-Mail erhalten haben.
DITIB Wuppertal bietet einem Sympathisanten der Hamas am 9. November eine Bühne.
Ausgerechnet am 9. November 2025 bietet die DITIB Wuppertal einem Hamas-Sympathisanten im CinemaxX eine Bühne.
Wie auf einem Plakat auf Social-Media-Kanälen angekündigt wird, soll Osman Eğin am 9. November um 14 Uhr im CinemaxX auftreten. Beworben wird die Veranstaltung von der DITIB Elberfeld, als Kontakt wird die Jugendgruppe der Wuppertaler DITIB aufgeführt. [1]
Auch wenn die Veranstaltung das Thema Spiritualität hat, wird einem Hamas-Sympathisanten eine Bühne geboten.
Osman Eğin glorifizierte den Führer der islamistischen Terrororganisation Hamas Ismail Haniyye, fünf Tage nachdem er bei einer Explosion in einem Gästehaus der Revolutionsgarden in Teheran getötet wurde, öffentlich in der Fernsehsendung „Arafta Sorular” auf 24 TV: „Als der Prophet starb, zog Omar sein Schwert und sagte: „Wer sagt, dass Mohammed tot ist, dem werde ich den Kopf abschlagen.“ Die Palästinenser zeigen diese Haltung so deutlich, dass wir uns schämen müssen. Möge Ismail Haniyye in Frieden ruhen. Er hat gewonnen, wir haben verloren. Er hat erreicht, was er wollte. Aber das gelang ihm nicht mit leeren Worten. Sein ganzes Leben lang stand er auf dieser Linie.“ [2],[3]
Im Fernsehinterview mit Esra Elönü, Journalistin der Zeitung Star, zitierte Osman Eğin den Sohn von Ismail Haniyye Abdusselam: „Das Blut meines Vaters ist nicht kostbarer als das Blut der Kinder, Männer und Frauen, die in Gaza den Märtyrertod sterben.“ Abdusselam sagte, das Blut seines Vaters „sei das notwendige Opfer auf dem Weg zur Befreiung“ und verwies dabei auf „Märtyrer“ wie Ahmed Yassin, Abu Ammar (Yasser Arafat), Fathi Shikaqi und andere, die „ihr Blut auf dem Weg zur Befreiung vergossen haben“. [4]
Osman Eğin ist Vorsitzender der Stiftung „İnsan Ve Zihniyet“ und Jurymitglied beim Koranrezitationswettbewerb „Kur’an-ı Kerîm’i Güzel Okuma“, der vom türkischen Fernsehsender TRT übertragen wird. Osman Eğin war in der Yeşil Moschee und der Ulu Moschee in Istanbul tätig und absolvierte einen Master im Bereich Koranrezitation an der Theologischen Fakultät in Izmir. Zu seinen beruflichen Stationen gehört auch das Istanbuler Haseki-Abdurrahman-Gürses-Bildungszentrum, einer 550 Jahre alten Ausbildungsstätte für Prediger und Muftis in der Türkei. Er veröffentlichte drei Bücher, die vom Präsidialamt für religiöse Angelegenheiten herausgegeben wurden. [5]
In der türkischen Öffentlichkeit er ein sehr bekannter Theologe und Autor mit Hunderttausenden Followern in den Sozialen Medien. Man weiß also, wofür er steht.
Da die Aussagen von Osman Eğin mit einer einfachen Internetrecherche zugänglich sind, dürften sie auch Ersin Özcan und Mustafa Temizer aus dem Wuppertaler DITIB-Vorstand, die die Veranstaltung auf der Social-Media-Plattform Facebook teilten, bekannt sein.
Gibt es eine öffentliche Haltung von der DITIB-Jugend oder vom Vorstand der Elberfelder DITIB zu den oben genannten Äußerungen von Osman Eğin?
Für den 9. November rufen wir dazu auf, an den zahlreichen Gedenkveranstaltungen zum Novemberpogrom teilzunehmen oder den Film „Kein Land für Niemand“ im Cinema zu besuchen.
9. November 2025 – 14 Uhr – Treffpunkt an der Treppe zur Bahndirektion am HbF Wuppertal
Die zerstörte Elberfelder Synagoge
Niemand ist vergessen!
L’Chaim – Es lebe das Leben!
In tiefer Verbundenheit mit den Opfern des 7. Oktober 2023!
In Erinnerung an Jochanaan Meinrath und Manny Meinrath, Enkel und Urenkel des früheren Elberfelder Rabbiners Joseph Norden.
Sie werden seit dem 7. Oktober 2023 in Israel vermisst.
In Trauer um die zivilen Opfer in Palästina und Israel !
Bringt Blumen mit!!
Zum Novemberpogrom 1938 in Wuppertal
Vor 87 Jahren wütete auch in Wuppertal der Nazimob und griff das Leben der jüdischen Wuppertaler:innen an. Kurz nach Mitternacht, am Morgen des 10. Novembers 1938, wurden die ersten Schaufenster von jüdischen Geschäften in der Elberfelder Innenstadt eingeworfen. Die Täter, unter ihnen der SS-Mann und Versteigerer Bruno Koepchen, fuhren mit der Kraftdroschke vor. In der Herzogstraße warfen sie beim Schuhhaus Tack und anderen jüdischen Geschäften mit Flaschen die Schaufensterscheiben ein. Der Fahrer brachte sie nach kurzem Zwischenstopp in der Kreisleitung der NSDAP zur Synagoge in die Elberfelder Genügsamkeitstraße. „Die Herren stiegen aus und begaben sich zur Synagoge. Da sie durch das Hauptportal nicht in die Synagoge hinein konnten, gingen sie von der Seite aus, durch den dort befindlichen Eingang in die Synagoge. Nach einiger Zeit sah ich dann, dass die Synagoge brannte.“
Der Novemberpogrom in Wuppertal dauerte bis zum 12. November 1938. Die Nazis demolierten und zündeten die Synagogen und Betsäle an. Zahlreiche jüdische Geschäfte und Privatwohnungen wurden teilweise am helllichten Tag verwüstet und geplündert. Schließlich zündeten sie am 18. November 1938 um 23:39 Uhr die Umkleidekabinen des jüdischen Tennisclubs an der Oberbergischen Straße 240 an.
Die Zerstörungen mussten die Juden per „Sühneabgabe“ selber zahlen. Insgesamt 1 Milliarde Reichsmark mussten reichsweit für die „Judenvermögensabgabe“ zum Ausgleich der Schäden aufgebracht werden. Die Finanzämter „gewährten“ Ratenzahlungen, die in fünf Raten eingezogen wurden. Wer jetzt noch auswandern konnte, musste auch den Rest seines Vermögens den deutschen Finanzämtern überlassen.
Erinnern möchten wir auch an die jüdischen Menschen aus Wuppertal, die während des Pogroms ermordet wurden, sich aus Verzweiflung das Leben nahmen oder an dem Schock der gewalttätigen Übergriffe starben. Zu nennen sind der Arzt Dr. Theo Plaut und seine Frau Elli, die sich am 15. November 1938 das Leben nahmen. Der Kaufmann Alfred Fleischhacker erhängte sich am 8. Dezember 1938, kurz nach seiner Entlassung aus dem KZ Dachau. Die 73 jährige Johanna Siéradzki wurde in der Pogromnacht in ihrer Wohnung in der Ekkehardstraße 15 (damals Mittelstraße) überfallen und erlitt einen Gehirnschlag, an dem sie am 13. November 1938 verstarb.
In den letzten 15 Jahren haben wir versucht, ein kritisches und antifaschistisches Erinnern an den rassistischen Mord an Kamal K., aber auch die anderen rechten Morde in Leipzig zu etablieren, ihre gesellschaftlichen Ursachen aufzuarbeiten und uns gegen eine rassistische gesellschaftliche Kontinuität zu stellen. Daran hat sich in den letzten 10 Jahren nichts geändert. Bereits vor 10 Jahren zur Gedenkdemo 2015 stellten wir fest:
“Leipzig tötet!”
“Kamal K., Horst K. und Gerhard Helmut B. sind lediglich drei von mindestens zehn Todesopfern – Gerhard S., Klaus R., Achmed B., Bernd G., Nuno L., Thomas K., Karl-Heinz T. – rechter Gewalt seit 1990 in Leipzig. Alle wurden aufgrund von rassistischen, sozialdarwinistischen oder homosexuellenfeindlichen Einstellungen der Täter ermordet. An sie und alle anderen Todesopfer sowie Betroffenen rechter Gewalt wollen wir mit dieser Demonstration erinnern. Die dauerhafte Auseinandersetzung mit den Morden ist notwendig, sind diese doch lediglich ein Spiegelbild gesellschaftlicher Zustände, jener also, die solche Morde erst möglich machen. Es ist die Akzeptanz und die Anerkennung von Aussagen und Meinungen die gegen Menschen gerichtet sind, die nicht den deutschen Norm- und Wertvorstellungen – weiß, heterosexuell, besitzend, lohnarbeitend – entsprechen und somit abgewertet werden.”
Auch zehn Jahre später hat das Morden in Deutschland kein Ende. In München, Halle, Hanau, Kassel, Solingen und vielen weiteren Orten in Deutschland wurden seit unserem Aufruf im Jahr 2015 Menschen aus rechten Motiven ermordet. Noch nicht benannt sind damit die unzähligen Betroffenen rechter Gewalt, die Bedrohten, die Verletzten und die Angehörigen, die zwar mit dem Leben davongekommen sind, deren Leben durch die Taten aber oft schwerwiegend beeinträchtigt bleibt.
Rassismus und andere menschenverachtenden Einstellungen werden nicht erst dann wirkmächtig, wenn Täter*innen morden. 859 rechte Angriffe dokumentierte die Opferberatung RAA im Zeitraum von 2009 – 2024 alleine in der Stadt Leipzig. Auch bei rechten Morden muss, wie bei allen rechten Gewalttaten, davon ausgegangen werden, dass die Dunkelziffer weitaus höher ist.
“Sachsen tötet! Deutschland auch!”
Christopher W., Ruth K., André K., Marwa el-Sherbini, Bernd S., Patrick T., Peter T., Mike Z., Waltraud S., Jorge Gomondai, Günter T., Christa G., Michael G., Mario L. und laut dem Historiker Harry Waibel gibt es vier weitere namentlich unbekannte Todesopfer rechter Gewalt, seit 1990 in Sachsen. Der rechtsmotivierte Mord an Christopher W. wurde dieses Jahr von Seiten des sächsischen Innenministeriums sogar nachträglich aus der Statistik zu Todesopfern rechter Gewalt entfernt. Seit Jahrzehnten wird rechte Gewalt in Sachsen und Deutschland verharmlost und vertuscht.
Unsere Aussage zu Rassismus und neonazistisches Denken von 2015 wollen wir korrigieren. Damals schrieben wir:
“Das Reden über Rassismus und Rassist*innen scheint vorwiegend ein Reden über etwas Vergangenes zu sein. Zumeist wird Rassismus mit dem Nationalsozialismus sowie mit neonazistischen Denken in Verbindung gebracht. Dies verkennt jedoch die Dimension rassistischer sowie generell menschenverachtender Einstellungen und kann als eine Ursache für das Nicht (An-)Erkennen rechter Gewalt angesehen werden, was in der Aufarbeitung des NSU-Komplexes deutlich wird.”
Heute sind wir der Meinung: Das Reden über Rassismus scheint nicht mehr über etwas Vergangenes zu sein. Rechte und neonazistische Einstellungen sind gesellschaftsfähiger, jede*r kann sie offenkundig vertreten und inzwischen ist die öffentliche Aufregung darüber gering. Neonazis, AfD und fast alle etablierten Parteien haben sich untereinander verständigt, dass “die Migration” das Problem sei. Unterschiede gibt es lediglich formelle, wie “das Problem” gelöst werden soll. Das rechte Narrativ vom “Fremden” und “undeutschen” als Feind hat sich in der Mehrheitsgesellschaft durchgesetzt und Menschen, die einen vermeintlichen Migrationshintergrund haben, wird immer noch abgesprochen, Teil dieser Gesellschaft zu sein.
Die Entwicklung der letzten Monate und Jahre gerade in Sachsen zeigt, wie sehr aus dem rhetorischen Kampf, wiederum Realpolitik entsteht. Der sächsische Ministerpräsident Kretschmer fordert bereits seit längerem einen Kurswechsel im Umgang mit den “Themen” der AfD und der Partei an sich. Erst dieses Jahr erklärte er, es sei notwendig “die Realitäten in unserem Land anzuerkennen und wahrzunehmen, was die Mehrheit der Menschen einfordert von der Politik – allem voran beim Thema Migration”.
Geleugnet wird dabei stets, dass diese eingeforderte rassistische Politik eben nicht einfach so aufgekommen ist, weder erst mit der Gründung der AfD, noch ist sie einfach vom Himmel gefallen. Die fortschreitende Radikalisierung autoritärer und menschenfeindlicher Ansichten hat sich in der gesamten politischen Landschaft im Freistaat und auch auf Bundesebene bemerkbar gemacht. Grenzkontrollen, Abschiebungen, rassistische Narrative und Racial Profiling sind schon lange keine Praxen mehr, die für politischen Aufruhr sorgen.
Diese – die deutschen – Zustände töten. Sie töten außerhalb des eigenen Staatsgebietes, indem sie Menschen den räumlichen Zugang zu Sicherheit vor Krieg und Armut verweigern. Sie töten an den europäischen Außengrenzen, wo sie mit Frontex mitverantwortlich für Push-Backs und massenhaftes Ertrinken im Mittelmeer sind. Und sie töten hier, in Deutschland, in Sachsen, in Leipzig durch konkrete Individuen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, “Volk” und “Vaterland” bis aufs Blut zu verteidigen. Dass es das Blut derer ist, die sie als “anders” begreifen, versteht sich von selbst und sie können sich als legitime Vollstrecker des Volkswillens der schweigenden Mehrheit und AfD-Wähler*innen fühlen.
“Die Mauer fiel uns auf den Kopf” – Iman al Nassre und Diane Izabiliza
Ein Blick auf die Dokumentation rechter Übergriffe zeigt, dass es sich dabei nicht um ein neueres Phänomen handelt, sondern dass sich diese Entwicklung seit den 1990er-Jahren hinzieht. Der Mauerfall und die ihn umgebenden Narrative ließen eine wichtige Komponente außen vor: Das Rassismus und rechte Gewalt Motoren der deutschen Wende waren. Sie trugen zum Entstehen einer militanten Neonaziszene in Gesamtdeutschland bei, die schließlich zur Gründung von Neonazi- Terrororganisationen wie dem “Nationalsozialistischen Untergrund” (NSU) führten. Grundlage hierfür ist die Fortexistenz nationalsozialistischer Ideologiefragmente – sowohl in Ost-, als auch in Westdeutschland – sowie die sogenannte Wiedervereinigung, die wie ein Fanal auf die rechte Szene wirkte. Die Wende brachte die Möglichkeit, deutsche Geschichte neu zuschreiben. Auf einmal war “man wieder wer”, man war “ein Volk”.
Und in Leipzig, dem selbsternannten Nabel der “Wiedervereinigung” erst recht. Durch die Beschwörung eines demokratischen und antidiktatorischen Aufstands im Jahr 1989 wurde ein Mythos geschaffen, der dem nationalen Kollektiv einen positiven Bezug auf Deutschland ermöglichen soll. Die Zelebrierung einer quasi zweiten – aber diesmal durchweg positiv besetzten – Geburt der Berliner Republik geht mit der rhetorischen Gleichsetzung von DDR und Nationalsozialismus einher. Die Deutschen werden dadurch nicht nur zu bloßen Opfern zweier Diktaturen stilisiert, vielmehr gelingt es ihnen, sich von der Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus weiter zu lösen.
So wird die Erzählung von einem geläuterten Deutschland, das die Lehren aus der Geschichte gezogen habe und nun als eine bessere Nation mit unbeschwertem Selbstbewusstsein auftreten kann, aufs Neue bekräftigt. In der vollzogenen Geschichtsglättung gibt es selbstverständlich keinen Platz für widersprüchliche oder gar negative Aspekte, die dem konstruierten Selbstbild entgegen stehen. Stimmen von Betroffenen und jenen, die eben keinen Platz im nationalen Kollektiv haben, werden nicht gehört.
Eine an Stärke gewinnende Rechte konnte sich so als Vollstreckter des Volkswillen verstehen und in den Asylrechtsverschärfungen nach Pogromen in Deutschland, wie in Rostock-Lichtenhagen gaben Staat und Gesellschaft ihnen Recht. In diesem Rahmen werden der brutale Anstieg von Antisemitismus und Rassismus nach der “Wiedervereinigung” und die bis heute existenten menschenverachtenden Einstellungen in der Bevölkerung konsequent verschwiegen.
“Was möchte die Staatsanwaltschaft sehen, damit sie sicher ist, dass Kamal das Opfer eines geplanten, rassistischen Mordes geworden ist?” – Kamals Mutter
Seit dem militärischen Sieg der Alliierten über den Nationalsozialismus im Jahr 1945 sind in den postnationalsozialistischen deutschen Staaten über 400 Menschen Opfer rechter Gewalt geworden. Die Fälle rechter Gewalt sind so verschieden wie die Lebensrealitäten der Betroffenen – und doch eine gemeinsame Erfahrung: Ihre Geschichten wurden verdrängt, verharmlost oder ganz vergessen.
Lassen sich staatliche Akteur*innen dazu herab, über rechte Morde zu sprechen, werden die konkreten Grundüberzeugungen, die sie bedingen, in der Regel nicht benannt. Wenn rassistische, sozialdarwinistische oder auch homosexuellenfeindliche Taten nicht als solche benannt werden, wenn nicht klar gemacht wird, dass Personengruppen gezielt als Opfer ausgewählt werden, der auch ein Großteil der Bevölkerung feindlich gegenüberstehen, dann werden die Hintergründe verleugnet und die Verstrickung der Gesellschaft in die Taten verschleiert.
Rechte Gewalt ist eben keine Gewalt, die sich gegen “uns alle” richtet, das ist eigentlich auch allen bewusst. Sie ist immer auch eine Botschaftstat an die, die vermeintlich nicht dazugehören, die aus dem deutschen Kollektiv ausgeschlossen werden. Deshalb wird sich nicht mit ihren Bedingungen befasst, deshalb wird sie nicht verhindert. Für den Staat und die Dominanzgesellschaft gibt es kein eigenes Interesse, sich damit zu befassen. Sie sind nicht betroffen. Im Gegenteil: Sie tragen weiterhin zum Bestehen dieser menschenfeindlichen Strukturen bei.
Während wir in Leipzig von zehn Todesopfern rechter Gewalt und einem weiteren Verdachtsfall ausgehen, erkennt der deutsche Staat nur Kamal K., Achmed B., Nuno L. und Thomas K. als solche an. In Deutschland sind es oftmals die Hinterbliebenen, die um die Anerkennung ihrer ermordeten Angehörigen und gegen das Vergessen kämpfen. Ohne ihre unerbittliche Arbeit – das beharrliche Erinnern, das Sammeln von Beweisen, das öffentliche Sichtbarmachen der Taten – wären viele dieser Morde längst im Dunkeln der Geschichte verschwunden.
Der gesellschaftliche und staatliche Unwille zur Auseinandersetzung und Aufarbeitung zeigt sich auch in der Art, der Opfer zu gedenken. Während die Stadt Leipzig jährlich Kränze zum sogenannten Volkstrauertag niederlegt, fanden die Opfer rechter Gewalt selten Eingang ins städtische Bild. Lange gab es keine Tafeln oder anderweitige Gestaltung von Gedenkorten, um ihrer zu erinnern. Die heute an den Tatorten vorzufindenden Denkmäler entstanden durch Initiative von Betroffenen und Hinterbliebenen, wurden von solidarischen Menschen unterstützt und mussten oft staatlichen Institutionen abgerungen werden.
Die offizielle Erinnerung wird zur Bühne der Selbstinszenierung: Reden, Kränze, mahnende Worte – alles mit dem Ziel, die eigene moralische Integrität zu demonstrieren. Ein Beispiel davon war 2024 in Gaschwitz beim Gedenken an Nuno L. zu erleben. Hier hielt der Bürgermeister von Markkleeberg nach einem Projekttag mit Schüler*innen eine Rede in der es mehr um die gesellschaftliche Entwicklungen und möglichen Wahlen in den USA ging als um den rechten Mord in Gaschwitz. Nicht darum, dass die Täter von damals noch heute in der Region leben. Nicht darum, wie sich die Gesellschaft in Sachsen entwickelt und die AfD zu jenem Zeitpunkt davor Stand, die Landtagswahl in Sachsen zu gewinnen.
Ein solch selektives Gedenken – mangelnde Sichtbarkeit im städtischen Raum sowie fehlende Aufarbeitung rechter Strukturen und gesellschaftlicher Verhältnisse, aber Erinnern, wenn es das städtische Image verlangt – instrumentalisiert Gedenken auf illegitime Weise. Dabei geht es nicht um die Betroffenen, nicht um die Hinterbliebenen, nicht darum zu verhindern, dass sich solche Taten wiederholen. Es geht lediglich um ein geläutertes Image der Stadt. Aus solchem Gedenken folgt nichts.
“Deutschland und Stadt Hanau schulden mir ein Leben.” – Emis Gürbüz
Nach einem jahrelangen Kampf ist nun ein Dokumentationszentrum zum NSU “Offener Prozess” in Chemnitz eröffnet worden. Dort können die rassistischen Ermittlungsansätze, die Verstrickungen der Behörden und auch der Kampf der Angehörigen um Anerkennung sehr gut nachvollzogen werden. Ein Besuch ist unbedingt empfehlenswert.
Trotzdem kann man sich fragen, ob durch eine solche Institutionalisierung von Gedenken – der Staat als Geldgeber – der widerspenstige Stachel gezogen wird. Selbst im neuen Koalitionsvertrag hat man sich darüber verständigt, dass ein neues NSU-Dokumentationszentrum entstehen soll. Söder hat sich höchstpersönlich dafür eingesetzt, dass es nach Nürnberg kommt. Die Beauftragte kann also verlauten: “Das ist für Nürnberg jetzt eine Riesenchance und ich glaube, das haben wir auch verdient, weil wir so viel Vorarbeit geleistet haben.” Die CSU hat es sich redlich verdient, eine neue Touristenattraktion in Söders Heimatstadt!
Oder eben wie im Fall Emis Gürbüz, die einen Eklat auf der diesjährigen Gedenkveranstaltung in Hanau ausgelöst hat, da sie wagte, Kritik an Staat und Stadt zu üben. Jetzt soll ein solches Gedenken laut der Stadt Hanau so nicht mehr stattfinden. Gedenken ja, aber bitte ohne Kritik der Angehörigen an staatlichen Institutionen.
Doch nicht nur der Staat instrumentalisiert. Immer wieder kann beobachtet werden, dass bestimmte Strömungen der radikalen Linken sich dem Gedenken aus instrumentellen Gründen widmen, die es bisher nicht getan haben. Hierbei negieren sie häufig die zentralen Bestandteile, die Rassismus, Antisemitismus, Sozialdarwinismus, Sexismus und Homosexuellenfeindlichkeit für die Struktur der Gesellschaft, in der wir leben, haben.
Sie werden zu Nebenwidersprüchen delegiert, die nach ihrer “Revolution” nicht mehr von Belangen seien und somit eine dezidierte Auseinandersetzung mit den Hintergründen rechter Gewalt verunmöglicht. Es wird sich des eigenen Standpunktes selbst vergewissert, indem Ermordete zu “Märtyrer*innen” einer Klasse stilisiert werden, die “im Kampf für unsere Sache gefallen” seien. Die eigene “Kampfesbereitschaft” wird immer wieder betont, auch wenn man weder die Begrifflichkeiten, noch die Theorie oder die Praxis hat – oder überhaupt haben will – um sich der tödlichen Gewalt entgegen stellen zu können.
Gedenken autonom, antifaschistisch
Es muss also ein autonomes, antifaschistisches Gedenken geben. Aber warum überhaupt Gedenken? Gedenken bedeutet Unversöhnlichkeit mit der Geschichte. Es richtet den Blick nicht auf das, was gesiegt hat, sondern auf das, was gescheitert ist. Eine antifaschistische Bewegung braucht ein historisches Bewusstsein, das aus der Vergangenheit heraus in der Gegenwart für die Zukunft kämpft.
Was heute allzu oft als Erinnerungskultur inszeniert wird, verdient diesen Namen nicht. Es handelt sich vielfach um ein entkerntes, staatstragendes Gedenken, dessen Hauptzweck nicht die Aufarbeitung, sondern die Selbstvergewisserung ist. Solches Gedenken ist illegitim, weil es die Ursachen der Verbrechen systematisch entpolitisiert, ihre Fortdauer leugnet und das eigene Kollektiv reinwaschen will. Es schützt nicht vor Wiederholung, es bereitet sie vor.
Die offizielle Erinnerung wird zur Bühne der Selbstinszenierung: Reden, Kränze, mahnende Worte – alles mit dem Ziel, die eigene moralische Integrität zu demonstrieren. Wo Gedenken zur rituellen Pflichtübung verkommt, die Schuld delegiert und gesellschaftliche Verantwortung verschleiert, dient es nicht der Wahrheit, sondern der Aufrechterhaltung eines positiven Selbstbildes – individuell wie kollektiv.
Warum aber hat dieses Gedenken Erfolg? Weil es bequem ist. Weil es die narzisstischen Bedürfnisse einer Gesellschaft bedient, die sich als geläutert feiern will, ohne sich tatsächlich zu verändern. Gedenken ist nicht neutral – es ist ein politischer Akt. Und wer bestimmt, wie erinnert wird, bestimmt auch, was gesagt wird, was vergessen werden darf. Politische Interessen erfordern ein stabiles nationales Narrativ – selbst wenn das heißt, Neonazismus zu relativieren, institutionellen Rassismus zu leugnen oder die Rolle staatlicher Strukturen bei historischen Verbrechen zu verharmlosen. Besonders in Deutschland gehört zum Staatsgedächtnis auch die Inszenierung der Bewältigung – eine Art moralischer Schlussstrich, der jede tiefere Infragestellung des Kollektivs abwehrt.
Kritisches Gedenken jedoch muss genau das Gegenteil tun, nur so kann Solidarität entstehen. Gedenken, das sich den Verstorbenen wirklich verpflichtet fühlt, muss sowohl die unaufgearbeiteten Strukturen ins Visier nehmen, die das Unrecht erst möglich machten, als auch die eigenen, viel zu bequemen und oft blinden Verstrickungen in den fortbestehenden Status quo erkennen. Wer sich nicht selbst in die Schuldzusammenhänge begreift, kann auch nicht kritisch Gedenken. Kritisches Gedenken ist Selbstverunsicherung und Selbstkritik des Eigenen. Nur durch einen radikalen Bruch mit der Inszenierung, dem ewigen Gedächtnistheater kommen wir dem einen Schritt näher – durch Bildung, Aufklärung und Protest. Alles andere ist Verdrängung mit Blumenstrauß.
“Die Gewalt kam damals zu uns” – Nanuk
Über viele Jahre hinweg galt insbesondere Leipzig als “liberale linke Insel” im ansonsten braunen Freistaat Sachsen, wo gesellschaftskritisches Engagement möglich war, ohne gleich am nächsten Morgen von Cops mit Waffen im Anschlag aus dem Bett gezerrt zu werden – wie es z.B. erst kürzlich dem Hausprojekt Hospi30 in Görlitz wegen antifaschistischer Plakate widerfahren ist. Dies ist allerspätestens in Leipzig mit dem Antifa Ost – Verfahren und der gegründeten SoKo LinX vorbei. Aus unserer Sicht sind diese Entwicklungen einer immer reaktionäreren Politik, Formen sozialer Verhärtung und einer weiteren Aufrüstung im Inneren. Der besonders in Sachsen geführte Kampf gegen den sogenannten Extremismus ist eine Kampfansage an die gesellschaftskritische Opposition und die Vorbereitung, eben jene nicht von rechts kommende, endgültig zum Schweigen zu bringen.
Die Einteilung in “guten” und “bösen” Antifaschismus – einen staatskonformen und einen konsequenten autonomen – wird in Sachsen seit jeher vorgenommen und überrascht uns keineswegs. Emanzipatorische, linke und antifaschistische Politik musste in Sachsen seit jeher erst aufgebaut, Freiräume erkämpft und dann immer wieder verteidigt werden – nicht nur gegen Neonazis oder staatliche Repression. Antifaschistisch aktiv zu sein, war kein Hobby sondern Lebensrealität.
Die Praxis richtete sich auch gegen die lokale Bevölkerung. So antwortete die antifaschistische Gruppe Erfurt dem Antifa Kalender auf die Frage “Seht ihr euch als spezifisch ostdeutsche Antifas und was folgt daraus?” wie folgt:
“Wir brauchen wirklich niemandem hier die spezifische Kontinuität nazistischer Gewalt im Osten erklären – der NSU konnte hier folgerichtig gedeihen. In Ostdeutschland aktiv zu sein heißt, dass man recht schnell erkennt, dass man den Kampf für die befreite Gesellschaft nicht mit, sondern gegen »das Volk« organisieren muss. D.h. also antifaschistische Arbeit richtet sich hier gegen die Masse der Bevölkerung, die sich zwischen Gleichgültigkeit, klammheimlicher Freude und aktivem Zuspruch für eine autoritär-faschistische Entwicklung zeigt. Wenn also irgendwo irgendwelche Roten die Masse des Volkes adressieren, wird man generell und im Speziellen in Ostdeutschland entweder scheitern oder den MaKssDamage machen müssen. Weil es sich bei dieser Masse des Volkes nämlich um ein Mordkollektiv im Wartezustand handelt, bringen die Worte unserer Südthüringer Genoss*innen die Notwendigkeit negatorischer, antagonistischer Politik auf den Punkt: »Dieser Antifaschismus ist antideutsch, oder er hat seinen Gegenstand nicht begriffen. Wenn das spezifisch ostdeutsch ist, dann nehmen wir uns dessen an.«”
Auch wir stellen fest, dass die Perspektiven der Antifaschist*innen, die in der DDR geboren und im post-sozialistischen Osten aufgewachsen sind, sich bis heute nur selten in Strategiedebatten der westdeutschen Antifa wieder findet, wie der “Zeit zu Handeln” – Aufruf gezeigt hat. Eine ostdeutsche Sozialisation, der politische Umbruch und die allgegenwärtige Präsenz von Neonazis und die permanente rechte Gewalt passen nicht so recht zu den K-Gruppen und anderen Spaltungslinien einer westdeutschen Linken. Die Geschichte und der Eigencharakter der ostdeutschen Antifaschist*innen scheinen bis heute nur wenig anschlussfähig zu sein. Bis auf die Gruselgeschichten, wie Anfang der Neunzigerjahre besetzte Häuser gegen Neonaziangriffe verteidigt werden mussten, mangelt es auch weiterhin am Interesse an einer ostspezifischen Bewegungsperspektive.
Wir sind weit davon entfernt, Antworten oder neue Strategien auf die gesellschaftlichen Entwicklungen zu haben; und was wir in der Rückschau auf die Ereignisse in Leipzig nach dem Urteil im Antifa Ost – Verfahren gar nicht empfehlen können, ist, sich im aktuellen Zustand linker Bewegung in Leipzig und dem Rest des Landes auf eine offene Auseinandersetzung mit dem Staat einzulassen. Wir denken, es braucht vielmehr wieder eine Diskussion über die Bedingungen linker Politik und Organisierung, die auch die unterschiedlichen lokalen Bedingungen in den Blick nimmt.
Agieren autonom, antifaschistisch
In einem solchen gesellschaftlichen Klima entstehen Initiativen, Gruppen und Bewegungen, die sich gegen diese Zustände organisieren. Antirassismus und Antifaschismus sind keine ideologischen Sonderpositionen, sondern notwendige Reaktionen auf reale Bedrohungen.
Die Morde des NSU, von Hanau, Halle, München und so viele mehr, der kontinuierliche Aufbau rechter Netzwerke in Polizei und Bundeswehr, aber auch alltägliche rassistische Gewalt machen deutlich: Es braucht Menschen, die sich diesen Entwicklungen in den Weg stellen – öffentlich, kollektiv, entschlossen, militant. Dabei geht es nicht nur um Symbolik oder Demonstrationen, sondern auch um praktische Solidarität, um Schutzräume und um konkrete Interventionen gegen rechte Strukturen.
Ein autonomes, antifaschistisches Gedenken ist mehr als nur das Erinnern an vergangene Verbrechen. Es ist eine aktive, kritische Praxis, die sich gegen die Verharmlosung, Instrumentalisierung und das Vergessen stellt. Doch um wirklich etwas zu verändern, reicht es nicht, nur in Gedanken dabei zu sein oder auf Institutionen zu vertrauen. Es ist notwendig, sich autonom antifaschistisch zu organisieren – jenseits von Ritualen und eines allgemeinen Habitus. Nur durch eigenständiges Agieren, durch direkte Interventionen und solidarisches Eingreifen können wir den rechten Strukturen entgegentreten.
Dieses Agieren muss eine Haltung sein, die sich nicht mit oberflächlichen Ritualen zufriedengibt, sondern tief in der Gesellschaft ansetzt. Es bedeutet, die eigenen Verstrickungen zu reflektieren, Machtverhältnisse zu hinterfragen und sich gegen staatliche und gesellschaftliche Vereinnahmungen zu stellen. In der Praxis heißt das: Wir müssen aktiv gegen rechte Strukturen vorgehen, sie sichtbar machen und ihnen entgegenstehen. Das bedeutet, sich selbst zu organisieren, ohne autoritäre Top- down-Strukturen, unabhängig von staatlichen Vorgaben und gemeinsam für eine antifaschistische Praxis einzustehen. Es ist Zeit, die Hände aus dem Schoß zu nehmen.
Hier könnten wir die inhaltslosen Durchhalte-Parolen wiederholen, die zu jeder Zeit und an jedem Ort gedroschen werden. Das war uns dann aber doch zu doof.
Nicht willkommen auf der Demo sind national und territorial Fahnen und dergleichen Symbole jedweder coleur, sowie Fahnen von Parteien und anderen politischen Organisationen. Es sollte nicht um die jeweilige (pol.) Identität gehen, sondern den Anlass. Wir wollen nicht als politische Plattform von Gruppen und deren Themen instrumentalisiert werden. Die antifaschistische Aktion sollte uns als Ausdruck genügen.
Recherche zeigt, die vom Wuppertaler Staatsschutz als „eher links“ eingestufte Freundin des Vierfach-Mörders Daniel S. des rassistischen Brandanschlags in Solingen vom 25.03.24 teilt extrem rechte Inhalte auf Social Media
Am 4. April 2025 sagten im Prozess Beamte des Staatsschutzes Wuppertal zur Beziehung des rechten Vierfach-Mörders von Solingen aus. Es wurde folgendermaßen argumentiert: „Was besonders fragwürdig ist: Eine Festplatte mit 166 zutiefst rassistischen Inhalten wurde der laut Staatsschutz „eher linken“ Lebensgefährtin des Täters zugeordnet. […] Zugleich wurde vom zweiten befragten Staatsschutzbeamten argumentiert, dass der Täter nicht rechts sein könne, da eine Beziehung zwischen der „eher linken“ Lebensgefährtin und dem Täter auf Dauer nicht funktionieren könne, wenn dieser rechts eingestellt sei. „ Quelle: https://adaletsolingen.org/2025/04/07/4-april-2025-prozesstag-12/
Vor Gericht argumentierte der Wuppertaler Staatsschutz, die Lebensgefährtin des Täters, Jessica B. sei „eher links“, da sie einmal etwas von der SPD und mehrmals von Wagenknecht gepostet habe. Man muss sich fragen, warum der Staatsschutz Wagenknecht als „eher links“ einstuft, da sie schon lange in rechten bis extrem rechten Kreisen gefeiert wird. Und auch bei der SPD findet man nahezu keine linken Aussagen mehr, dagegen rassistische, hetzende und menschenfeindliche Abschiebe-Rhetorik und Politik. Wenn man sich den Facebook-Account der Freundin des Mörders Daniel S. anschaut, findet man dort viele Anti-Kriegs-Postings, einiges aus der verschwörungstheoretischen Ecke, z.B. sehr viele Beiträge von Daniele Ganser (rechter Verschwörungstheoretiker, der mehrfach den Holocaust verharmloste) oder Videos des rechten Influencers Marcin Zabinski aka. „freiformation“, der gerne mit AFD-Politiker*innen spricht oder der extrem rechten Zeitung „Jungen Freiheit“ Interviews gibt.
Am 14. Juni 2025 lässt die Freundin des Täters auf Facebook alle Hüllen fallen, sie bewirbt eine Demo aus dem Umfeld der extremen Rechten und der „Querdenken“-Bewegung.
Quelle: Facebook-Profil Jessica B.
In dem auf Facebook geteilten Video geht es um die Demo des rechten „Bündnis für Deutschland“. Eine in 16 Bundesländern stattfindende Demo-Reihe. In NRW fand diese beispielsweise am 26. April 2025 in Dortmund statt. Dabei beteiligten sich unter anderem die „Heimat“ (früher NPD), „Jung und Stark“, führende Neonazi-Kader aus Dortmund und „Junge Nationalisten“. Viele zeigten extrem rechte Symbole und Gesten, wie „White Power“-Zeichen, Hitlergrüße, Lunikoff-Klamotten, Fingergeste „18“, „Schwarze Sonnen“, Schwarz-Weiß-Rote Fahnen und neben weiteren NS-verherrlichenden T-Shirtmotiven auch viele Deutschlandfahnen und Fahnen mit Friedenstauben. Quelle: https://recherche-nord.com/gallery/2025.04.26.DO.html
Es stellen sich also die Fragen:
1. Warum teilt die angeblich „eher linke“ Freundin des Vierfach-Mörders von Solingen einen Aufruf zu einer rechten Demo?
2. Wie kommt Jessica B. an diesen Demoaufruf und was hat sie mit dem Post-Ersteller zutun? Befindet sie sich in extrem rechten Informations-Kreisen?
3. Wie kommt der Wuppertaler Staatsschutz darauf, dass die Freundin des Mörders „eher links“ ist, wenn sie fast nur rechte Inhalte auf Social Media teilt?
4. Waren Jessica B. und ihr Freund, der Mörder Daniel S., auf extrem rechten Demonstrationen oder sind in extrem rechten Kreisen vernetzt?
Aufruf zur bundesweiten Demonstration am 14. Juni 2025 um 14 Uhr in Jena
Die Zeiten werden rauer, der Wind weht scharf von rechts. Klima, Kriege, Inflation – die Welt steht buchstäblich in Flammen. Konfrontiert mit vielfachen Krisen erweisen sich systemimmanente Lösungen zunehmend als unmöglich. Weil die nötigen Antworten unbequem sind, konstruiert der Staat lieber Probleme, die er vermeintlich mit Abschiebungen und Knast lösen kann. Nicht nur in Deutschland, autoritäre Regierungen scheinen weltweit das Ding der Stunde. Bei allen Abstufungen des Grauens eint sie, dass sie der gesellschaftlichen Linken feindlich gegenübertreten. Vor allem rechtsautoritäre und faschistoide Regime dominieren die politische Bühne und verschärfen mit ihren Nationalismen eine globale Kriegsgefahr. Wo ihre Akteur*innen noch nicht an der Macht sind, vernetzen sie sich fleißig, lernen voneinander und stärken sich gegenseitig. Von emanzipatorischen, ökologischen und antifaschistischen Großprojekten kaum eine Spur. Dabei wären diese bitter nötig.
Der rechte Vormarsch
Die Angriffe der Rechten sind so vielfältig wie vielzählig. In den Parlamenten, im Netz und auf der Straße wird der Ton härter; die Inhalte sozialchauvinistischer, rassistischer und nationalistischer. Errungenschaften von feministischen Kämpfen sowie die der internationalen Arbeiter*innenbewegung werden, auch unter Mithilfe ihrer einstigen politischen Vertretungen, rückabgewickelt. Parallel dazu bewaffnen sich Nazis weiter und bauen rechtsterroristische Strukturen aus, üben für Übergriffe in Kampfsporttrainings, schmieden Umsturzpläne und bereiten sich auf einen Tag X und greifen immer unverfrorener linke Projekte an. Gleichzeitig vernetzt sich die militante Naziszene fleißig weiter, unter anderem bei NS-verherrlichenden Aufmärschen in Budapest und Sofia. Eins ist klar: Der rechte Vormarsch wird nicht von der nächsten Regierung aufgehalten, sondern von uns.
Vorwurf: Antifaschismus
Wer sich gegen rechts engagiert, aber mehr will als die parlamentarische Demokratie als solche zu verteidigen, ist schnell mit der deutschen Diskurswalze konfrontiert, die versucht jede kritische Bestrebung als “linke Chaoten” plattzumachen. Wer sich nicht schnell genug distanziert, wo das kapitalistische Wirtschaftssystem in Frage gestellt wird oder gar ein Farbbeutel geflogen ist, bekommt nicht nur von der Springerpresse Probleme.
Zivilgesellschaftliche Akteur*innen, beispielsweise im Bereich der politischen Bildung sowie in der Antisemitismusprävention, verlieren immer mehr den Boden unter den Füßen und die Mittel, um ihre Arbeit fortsetzen zu können. Mit parlamentarischen Anfragen wollen CDU und AfD den Druck auf linke Zivilgesellschaft steigern und Misstrauen und Unsicherheit säen. Berufsverbote bei Lehrer*innen oder Hochschulmitarbeitenden scheinen wieder en vogue. Ermittlungen nach §129 StGB nehmen zu – egal ob gegen die kurdische Bewegung, Klimaaktivist*innen, Antikapitalist*innen und nicht zuletzt Antifaschist*innen.
Aktuell werden umfangreiche Ermittlungen gegen Antifaschist*innen geführt, die während eines internationalen Nazi-Treffens in Budapest – dem sogenannten „Tag der Ehre“ – Nazis angegriffen haben sollen. Länderübergreifend sind ein gutes Dutzend Personen von der Repression betroffen. Antifas werden in Ungarn, Deutschland und Frankreich in Knästen gehalten, sitzen auf Anklagebänken, wurden ausgeliefert oder werden von einer Auslieferung bedroht.
Wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen
Mit der Verfolgung von Antifas wird nicht der Rechtsstaat verteidigt. Denn es wird nicht die vermeintliche oder tatsächliche Militanz geahndet, sondern die politische Perspektive, die in der Praxis aufscheint: Unsere Leute sitzen im Knast, weil sie Antifaschist:innen sind. Es werden nicht schlicht Straftaten nach Recht und Gesetz verfolgt, sondern im Kampf gegen Linke wird der vielbeschworene Rechtsstaat bei Bedarf auch mal ausgehebelt.
Der strafende Staat legt nicht nur besondere Härte an den Tag, sondern beugt Recht. Um ein “starkes Zeichen” gegen Links zu setzen, wird offen mit dem ungarischen Unrechtsstaat paktiert, fleißig Daten und Akten ausgetauscht und im Fall der verfassungswidrigen Auslieferung Majas die Judikative umgangen. Aktuell verschließen Staatsanwaltschaften die Augen vor basalen Grundrechten. Alle sind vor dem Gesetz wohl nur dort gleich, wo auch ein deutscher Pass vorliegt. So droht – wie im Fall von Zaid – wieder eine Auslieferung. Wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen – höchstens auf seine Doppelmoral.
Repressionsbehörden agieren nicht neutral, sondern sind selbst politische Akteure, und so verwundert es kaum, wenn die sächsische Sonderkommission LinX allen Skandalen zum Trotz neben unzähligen Hausdurchsuchungen und Überwachungen fleißig Öffentlichkeitsarbeit in Anti-Antifa-Manier betreibt.
Antifaschismus verteidigen!
Budapest und Antifa-Ost-Verfahren sind keine Einzelfälle, in denen der Staat mal besondere Stärke beweisen will. Sie sind nur die Spitze des Eisberges. Es ist kein Zufall, dass in Zeiten des rechten Vormarsches, in denen oppositionelle, emanzipatorische und antifaschistische Bewegung wichtiger sind denn je, genau diese unter Beschuss geraten. Wir dürfen uns daher nicht in individualisierten Abwehrkämpfen verlieren. Antifaschismus muss zurück in die Offensive. Dies schaffen wir nur zusammen, nur wenn wir unsere stärkste Waffe einsetzen: Solidarität.
Wir schauen nicht weg, wenn Schreibtischtäter*innen Hausdurchsuchungen und Überwachung anordnen und mit Auslieferungen drohen. Wir nehmen keinen weiteren Tag hin, indem Antifaschist*innen in Knästen gehalten werden. Wir lassen nicht zu, dass Antifaschismus als Bewegung angegriffen wird.
Wir sehen uns am 14.06.2025 um 14:00 Uhr in Jena, um unseren Frust und unsere Wut gegen ihre Repression zu zeigen und unsere Leidenschaft und Liebe für den Kampf für das bessere Morgen auf die Straße zu tragen. Wir verteidigen Antifaschismus in seiner Vielfältigkeit – gegen alle Spaltungsversuche!
Call for the nationwide demonstration on June 14, 2025 at 2 pm in Jena:
Now more than ever. Antifascism is necessary! Free all Antifas!
Times are getting rougher, the wind is blowing sharply from the right. Climate, wars, inflation – the world is literally on fire. Faced with many crises, systemic solutions are proving increasingly impossible. Because the necessary answers are inconvenient, the state prefers to construct problems that it can supposedly solve with deportations and jail time. Not only in Germany, authoritarian governments seem on the rise worldwide. Despite all the different levels of horror, they are united by their animosity towards the political left. Right-wing authoritarian and fascist regimes in particular are dominating the political stage and intensifying the global threat of war with their nationalisms. Where their actors are not yet in power, they are busy networking, learning from and strengthening each other. There is hardly a trace of emancipatory, ecological and antifascist larger projects. Although these are sorely needed.
The right-wing advance
The attacks from the Right are as varied as they are numerous. In parliaments, online and in the streets, the tone is becoming harsher; the content more socially chauvinistic, racist and nationalistic. Achievements of feminist struggles and those of the international workers’ movement are being rolled back, partly with the help of their former political representatives. At the same time, Nazis are continuing to arm themselves and expand right-wing terrorist structures, practising for attacks in martial arts training sessions, plotting coups and preparing for a day X and attacking leftist projects more and more brazenly. At the same time, the militant Nazi scene continues to network actively, including at Nazi-glorifying marches in Budapest and Sofia. It is clear: the right-wing advance will not be stopped by the next government, it will be stopped by us.
Accusation: Antifascism
Anyone who takes a stand against the right but wants to do more than defend parliamentary democracy as such is quickly confronted with the framing, that tries to flatten every critical movement as ‘left-wing chaos’. Anyone who is not quick enough to distance themselves when the capitalist system is being questioned or a bag of paint is thrown is not only in trouble with the Springer press [1].
Activists in civil society, for example in the field of political education as well as in the prevention of anti-Semitism, are increasingly losing the means to continue their work. Through parliamentary requests, the CDU [2] and AfD [3] want to increase the pressure on left-wing civil society and spread mistrust and uncertainty. Bans on teachers and university staff seem to be back in vogue. Investigations under §129 StGB [4] are on the rise – whether against the Kurdish movement, climate activists, anti-capitalists and, last but not least, antifascists.
Large-scale investigations are currently being carried out against antifascists who allegedly attacked Nazis during an international Nazi meeting in Budapest – the so-called ‘Day of Honour’. There are a good dozen people affected by the repression across several countries. Antifascists are being held in prisons in Hungary, Germany and France, are in the charge boxes, have been extradited or are threatened with extradition.
Those who fight against Nazis cannot rely on the state
The persecution of antifascists is not a defence of the constitutional state. It is not the alleged or actual militancy that is being punished, but the political views that make themselves felt in practice: our people are in prison because they are antifascists. Criminal offences are not simply prosecuted according to law and order, in the fight against leftists, the much-vaunted rule of law is undermined if necessary.
The punitive state not only shows particular harsh behaviour, but also bends the law. In order to send out a ‘strong signal’ against the left, open pacts are made with the Hungarian oppressive state, data and files are actively exchanged and, in the case of Maja’s unconstitutional extradition, the judicial system is bypassed. Public prosecutors are currently turning a blind eye to basic fundamental rights. Everyone appears to be equal before the law only if they have a German passport. As in the case of Zaid, there is once again a threat of extradition. Those who fight against Nazis cannot rely on the state – if anything, they can rely on its double standards.
The repression authorities do not act neutrally, but are themselves political actors, so it is hardly surprising that, despite all the scandals, Saxony’s LinX special commission is busy carrying out anti-antifa-style PR work in addition to countless raids and surveillance operations.
Defend antifascism!
Budapest [5] and the Antifa East [6] cases are not isolated incidents in which the state wants to prove its force. They are just the tip of the iceberg. It’s no coincidence that in times of the right-wing advance, in which oppositional, emancipatory and antifascist movements are more important than ever, it is specifically these that are coming under attack. We must therefore not lose ourselves in individualised defence fights. Antifascism must return into the offensive. We will only be able to do this together and only if we use our strongest weapon: Solidarity.
We will not look the other way when bureaucrats order raids and monitoring and threaten extradition. We will not accept another day in which antifascists are held in prisons. We will not allow antifascism as a movement to be attacked.
We’ll see you on June 14, 2025 at 2 p.m. in Jena to show our frustration and anger against their repression – and to take our passion and love for the fight for a better tomorrow to the streets. We defend antifascism in its diversity – against all attempts at division!
– – –
[1] “Springer Presse” is one of the largest German media outlets and is known for its biased right-wing reporting.
[2] “Christian Democratic Union of Germany” is a right-wing political party in Germany.
[3] “Alternative for Germany” is a far-right political party in Germany. In the 2025 German federal election, AfD received ended on second place behind the CDU.
[4] “§129” is a paragraph in the German criminal law code “Strafgesetzbuch” (StGB) and prosecutes the formation of “criminal associations”. It is also referred to as the “snooping paragraph” because the suspicion justifies extensive police investigations and surveillance measures against those suspected.
[5] “Budapest” refers to the “Budapest complex” of a row ow investigations, imprisonments, trials and (impending) extraditions against antifascists accused of being involved in clashes with neo-Nazis in Budapest in February 2023.
[6] “Antifa East” refers to a complex of state persecution of anti-fascists accused of attacks on German neo-Nazis.
Veranstalter:innen: Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal in Kooperation mit Arbeit und Leben Berg-Mark, Jappoo e.V , Dunua e.V., der GEW Wuppertal und der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW. Mit Unterstützung des kommunalen Förderprogramms „Gemeinsam im Quartier“, der Stiftung EVZ und der Stiftung „Orte der der deutschen Demokratiegeschichte“
Wusstet ihr schon, dass Europa vor 80 Jahren auch von marokkanischen, senegalesischen und
brasilianischen Soldaten befreit wurde?
Wusstet ihr, dass im zweiten Weltkrieg über 30.000 Menschen als Kriegsgefangene und
Zwangsarbeitende aus dem besetzten Europa und aus Nordafrika nach Wuppertal verschleppt wurden und unter elenden Bedingungen für Hitlers Krieg schuften mussten?
Kennt ihr den wichtigen Beitrag der Partisan*innen im Kampf gegen Nazideutschland und bei der Befreiung Europas?
Kennt ihr den Beitrag der Roma-Partisan*innen in der Jugoslawischen Befreiungsarmee?
Wir möchten die Geschichte des 2. Weltkrieges jetzt auch aus der Perspektive der afrikanischen und brasilianischen Soldaten, aus der Perspektive der griechischen und jugoslawischen, der Roma-Partisan*innen, der Kämpfer*innen der migrantischen Resistancegruppe FTP-Moi, ihrer armenischen, deutschen, jüdisch-polnischen und sogar kurdischen Kämpfer*innen und der Zwangsarbeiter*innen und Kriegsgefangenen erzählen.
Schwerpunkt der Ausstellungs- und Veranstaltungsaktivitäten werden die Stadtquartiere Wichlinghausen, Oberbarmen und Heckinghausen sein. Mit unserem Angebot möchten wir gezielt
in diese Stadtteile hineinwirken. Hier leben seit vielen Jahrzehnten viele Migrant*innen, hier existieren migrantische Netzwerke, Netzwerke und Vereine, die von Menschen mit internationaler Familiengeschichte aufgebaut wurden.
Ein Teil dieser Communitys hat direkten biographischen Bezug zur Geschichte des 2. Weltkriegs, z.B. die griechischen Wuppertaler*innen, deren Familien zum großen Teil aus den Gebieten in Nordgriechenland stammen, in denen die deutsche Wehrmacht und die Waffen-SS zahlreiche Massaker an der Zivilbevölkerung verübt und hunderte von Dörfern dem Erdboden gleichgemacht hat.
Die Wuppertaler*innen aus Nordafrika und aus Westafrika haben z.T. biographische Bezüge zu den Kolonialsoldaten, die auf Seiten Frankreichs gegen Nazi-Deutschland kämpften.
Auch die Wuppertaler Ukrainer*innen und Russ*innen, auch diejenigen aus der jüdischen Kultusgemeinde, haben in vielen Fällen eine (gemeinsame) Geschichte als Nachkommen von
Rotarmist*innen, Zwangsarbeitenden und Kriegsgefangenen.
Schließlich sind natürlich auch die leidvollen Familiengeschichten in den polnischen, italienischen, serbischen, albanischen und anderen migrantischen Familien zu würdigen,aber auch hier sind wir erst am Anfang einer erweiterten internationalen Erinnerungsarbeit.
Möglicherweise ist die Ausstellung und die erstmalige öffentliche Würdigung der „ausländischen“ Soldaten und Partisan*innen eine kleine Chance endlich die migrantischen Wuppertaler*innen in die Erinnerungskultur bzw. in die „deutsche Geschichte“ einzubeziehen, die in Wahrheit (nicht nur in Bezug auf die NS- und Kriegszeit) immer schon eine Weltgeschichte ist.
Darüber hinaus möchten wir Schulklassen und andere Lerngruppen zum (geführten) Ausstellungsbesuch auf den BOB-Campus einladen. Gerade in den „globalisierten Klassenzimmern“ unserer Stadt könnte die Ausstellung eine Ergänzung und Bereicherung des Schulunterrichts sein.
Zur Ausstellung:
Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg
Ein vergessenes Kapitel der Geschichte
Millionen Soldaten aus Afrika, Asien und Ozeanien haben im Zweiten Weltkrieg gekämpft, um die Welt vom deutschen und italienischen Faschismus sowie vom japanischen Großmachtwahn zu befreien. Sowohl die faschistischen Achsenmächte als auch die Alliierten rekrutierten in ihren Kolonien Hilfstruppen und Hilfsarbeiter oftmals mit Gewalt. Hunderttausende Frauen waren Opfer sexueller Gewalt.
Rekruten aus denKolonien mussten sich mit weniger Sold, schlechteren Unterkünften und geringeren Kriegsrenten als ihre «weißen Kameraden» zufrieden geben.
Weite Teile der Dritten Welt dienten auch als Schlachtfelder und blieben nach Kriegsende verwüstet und vermint zurück.
Doch so gravierend die Folgen des Zweiten Weltkriegs in der Dritten Welt auch waren, in der hiesigen Geschichtsschreibung kommen sie nicht vor. Dies zu ändern ist das Ziel eines historischen Langzeitprojekts, mit dem das Rheinische JournalistInnenbüro in Köln im Jahre 1996 begann und das seit 2000 von dem gemeinnützigen Verein recherche international e.V. getragen wird. Auf der Basis von zehnjährigen Recherchen in 30 Ländern entstand 2005 das erste deutschsprachige Buch zum Thema (nachdem vier Auflagen des Verlags Assoziation A vergriffen sind) bietet die Bundeszentrale für politische Bildung seit Ende 2014 eine ungekürzte und preisgünstige Paperback- Ausgabe).
Die Ausstellung besteht aus vier geografischen Kapiteln (zu Afrika, Asien, Ozeanien und Südamerika & Karibik) sowie aus zwei thematischen (zu „Judenverfolgung außerhalb Europas“ und „Kollaboration“). An zehn Hörstationen berichten Zeitzeug:innen aus verschiedenen Kontinenten von ihren Kriegs-erfahrungen.
Wir zeigen in Wuppertal nur die „kleine Schwester“ der großen Ausstellung, die bis Anfang Juni 2025 in Gänze und mit großem Veranstaltungsprogramm im NS-DOK in Köln zu sehen ist. Wir danken recherche international e.V. , insbesondere Karl Rössel für eure jahrzehntelange Arbeit und für die Überlassung der Wanderausstellung.
Veranstaltungsreihe: 80 Jahre Befreiung vom Nationalsozialismus
9.4.2025 (Mittwoch) 19:00 Uhr BOB-Campus
Eröffnung mit den Historikern Cheikh Djibril Kane und Oliver Schulten
Grußwort von Lamine Soumah, Vorstandvorsitzender Dunua e.V.
Musik von Etienne Eben
Afrikanisches Fingerfood
– Fataya (gefüllte Teigtasche mit Hackfleisch, Gemüse, Paprika und Zwiebeln) – Samoussa (gefüllt mit Hähnchenbrustfilet) – Platin (frittierte Kochbananen)
Zubereitet von Sophie Biaye von Soleil d’Afrique.
10.4.2025 (Donnerstag) 19:00 Uhr BOB-Campus
The Balkony – Memories of Occupation“ (Der Balkon – Wehrmachtsverbrechen in Griechenland) Deutsche Kriegsverbrechen und Partisanenwiderstand im Epirus / Nordgriechenland
Griechischer Dokumentarfilm von Chrysanthos Konstantinidis
Einführung mit dem Historiker Stephan Stracke – Moderation Georgina Manfredi
Ligiades, ein Bergdorf im Norden Griechenlands in der Nähe des Ortes Ioannina, wird wegen seiner Aussicht „der Balkon von Ioannina“ genannt. In Ligiades fand eines der furchtbarsten NS-Verbrechen während der deutschen Besatzung Griechenlands im II.Weltkrieg statt. Am 3. Oktober 1943 kamen die Soldaten der 1. Gebirgsdivision die engen Serpentinen hoch in das Dorf. Die deutschen Wehrmachtsoldaten wollten Rache nehmen für den von Partisanen getöteten Oberstleutnant Josef Salminger. An jenem Sonntag waren fast nur Kinder, Frauen und Greise im Ort, die Männer waren auf den Feldern. Die Soldaten töteten wahllos, unter den 82 Ermordeten befanden sich 34 Kinder und 37 Frauen. Das jüngste Opfer war zwei Monate alt, das älteste 100 Jahre. Anschließend plünderten die Soldaten das Dorf und zündeten die Häuser an. Der Rauch des brennenden Dorfs auf dem „Balkon“ war von weitem zu sehen und die Bewohner der umliegenden Orte wussten, was in Ligiades geschah. Die deutschen Besatzer setzten ein mörderisches Zeichen, um den Widerstand der griechischen Bevölkerung zu brechen.
11.4.2025 (Freitag) 20:00 Uhr BOB-Campus
FTP-Moi „Weder Arbeit, noch Familie, noch Vaterland“ (Filmvorführung)
Die Überlebenden der „35. FTP-MOI-Brigade“ (Francs-Tireurs et Partisans-Main d’oeuvre
Immigrée) aus Toulouse berichten über die Résistance.
Sie waren Gymnasiasten, Studenten, Bauernsöhne, Arbeiter. Unter ihnen waren Juden, Ausländer und Kommunisten. Einige wurden in Frankreich geboren, andere in Polen, Ungarn, Rumänien, Italien, Spanien oder Brasilien. Im Jahr 1939 kannten sie sich noch nicht. 1943 bewaffneten sie sich in Toulouse gegen die Nazi-Besatzung und das Vichy-Regime. Hier erzählen sie ihre Geschichte.
12.4.2025 (Samstag) 16:00 Uhr Treffpunkt Bahnhof Wichlinghausen
Über den Kampf der Zwangsarbeiter*innen und Widerstandskämpfer*innen in Wichlinghausen.
Stadtteilspaziergang durch Wichlinghausen anschl. Besuch der Ausstellung im BOB-Campus.
(mit dem Historiker Stephan Stracke)
12.4.2025 BOB-Campus 19:00 Uhr
Tage des Ruhms (Indigènes) (Filmvorführung)
1943. In Europa tobt der 2. Weltkrieg. Vier junge Algerier ziehen in den Krieg um Frankreich von der Besatzung durch die Nazis zu befreien. Zusammen mit über 200.000 Kolonial-Truppen riskieren sie ihr Leben für ein Land, das sie nie gesehen haben. Die epische Reise führt Messaoud, Said, Abdelkader und Yassir von Afrika nach Italien, wo sie in den verlustreichen Schlachten von Monte Cassino ihre Feuerprobe bestehen müssen. Im Rahmen der Operation Dragoon landen sie anschließend in der Provence und befreien Marseille. Doch in den eigenen Reihen werden sie immer wieder diskriminiert und gedemütigt. Und so kämpfen die vergessenen Helden nicht nur für ein freies Europa, sondern auch für die eigene Anerkennung, Gleichbehandlung und Respekt. Im Elsass kommt es zum finalen Gefecht mit der Wehrmacht.
14.4.2025 17:00 Uhr Haupteingang Friedhof Varresbeck: Gedenkfeier zum 80. Todestag von
Ahmed Ben M´Hamed, Kriegsgefangener aus Marokko.
Ahmed Ben M´Hamed starb am 14.4.1945, zwei Tage vor der Befreiung Wuppertals, im Lager Giebel.
Stellvertretend für weitere maghrebinische Kriegsgefangene, die in Wuppertal zur Arbeit gezwungen wurden und verstarben, möchten wir,
gerne in Zusammenarbeit mit marokkanischen Vereinen ein Gedenkzeichen einweihen.
14.4.2025 19:00 Uhr BOB-Campus
Die vergessenen Befreier aus Marokko und dem Senegal
Unsichtbare und vergessene Geschichten aus dem 2.Weltkrieg.
Veranstaltung mit:
Karima Benbrahim (Düsseldorf): Maghrebinische Soldaten und Zwangsarbeiter*innen
Cheikh Djibril Kane (Wuppertal): Kolonialsoldaten aus dem Senegal
Grußwort: Helge Lindh (Wuppertal) MdB, kulturpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
Karima Benbrahim ist Diplompädagogin und Konflikt Mediatorin. Sie leitet das „Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit in Nordrhein-Westfalen“ (IDA-NRW) mit Sitz in Düsseldorf. Sie ist Mitautorin von: Belyouaou, Mariam/Benbrahim, Karima (2023): In(visible) Stories. Maghrebinische Zwangsarbeiter*innen in der NS-Zeit.
Cheikh Djibril Kane ist Historiker und Aktivist aus Wuppertal, der sich seit über 20 Jahren in der Demokratie- und Integrationsförderung engagiert. Als Vorsitzender des Jappoo e.V. und Vorstandsmitglied der ADAGE (Afrikanische Deutsche Gemeinschaft e.V.) setzt er sich für die Sichtbarmachung der afrikanischen Diaspora und die Förderung interkulturellen Dialogs in Deutschland ein. Seine Forschungsarbeit konzentriert sich auf Kolonialsoldaten aus dem Senegal im Ersten Weltkrieg, inspiriert durch das Engagement seines Urgroßvaters, der auf französischer Seite kämpfte.
16.4.1945 – Wuppertaler Befreiungstag
80 Jahre Hitler kaputt! 80 Jahre Befreiung vom Faschismus! Dank an die alliierten Soldaten und Partisan*innen aus aller Welt!
9:00 Uhr Rathaus Barmen
Abfahrt Bustour zu den Wuppertaler Erinnerungsorten der NS-Zeit mit den Angehörigen der
Widerstandskämpfer*innen und NS-Verfolgten
13:00 Uhr Färberei Gemeinsames Mittagessen
15:00 Uhr Empfang im Rathaus Barmen
16.4.2025 ab 19:00 Uhr Färberei
Wuppertaler Befreiungsfest
Es sprechen:
Prof. Heinz Sünker, Bergische Universität Wuppertal
Prof. Robert F. Teitel (Washington / USA) Holocaust-Überlebender
Miman Jasarovski: Mein Opa der Partisan. Roma in der jugoslawischen Partisan*innenarmee
Cheikh Djibril Kane: Die vergessenen Befreier aus Marokko und dem Senegal
Hilde Vivijs, Tochter des belgischen Widerstandskämpfers Louis Vivijs (Widerstandsgruppe De Zwarte Hand)
Konzert mit:
Orfeas
Clørix
Microphone Mafia
Unser 8. Mai ist der 16. April 1945!
„Wir wurden am 16. April in der Fabrik erobert, wie wir uns über die Befreiung gefreut haben, das können Sie sich nicht vorstellen. Alle Franzosen, Italiener, Russen, Ukrainer, alle küssten sich, umarmten sich, weil wir frei waren. Dann brachten uns die Amerikaner in allgemeine Kasernen, sie begannen uns aufzupäppeln, sie verteilten uns auf Dörfer, um uns leichter abzufüttern, dann schickten sie uns in die Heimat.“
Am 15/16. April 1945 befreiten Soldaten der 78. und 8. Infantry-Division der US-Army Wuppertal. Kurz nach der Befreiung strömten sowjetische und französische Kriegsgefangene und ZwangsarbeiterInnen aller Nationen aus den Fabriken und Lagern in die Innenstädte, feierten ihre Befreiung und eigneten sich in Lebensmittelgeschäften und Kaufhäusern Waren an. Höhepunkt der Feiern war sicher die Besetzung des Wuppertaler Polizeipräsidiums durch Zwangsarbeiter:innen. Spontan besetzten sie die Büros der Gestapo und warfen Akten aus den Fenstern. Das Präsidium war für ZwangsarbeiterInnen und politische GegnerInnen des Nationalsozialismus ein Ort des Schreckens.Im Polizeipräsidium wurden zahllose Menschen festgehalten, gedemütigt, gefoltert und totgeschlagen. Aus dem Polizeipräsidium wurden noch kurz vor Kriegsende Zwangsarbeiter:innen und politische Gefangene zu Hinrichtungsorten der Wuppertaler Gestapo geführt.
Staf Vivijs, damals 20 Jahre alt und ein Überlebender der belgischen Widerstandsgruppe Zwarte Hand, schrieb 1985 in seinen Erinnerungen zu seiner Haftzeit im Gefängnis Bendahl: „Es ist schwer zu sagen, was mich in Wuppertal am schlimmsten gequält hat. Die Einsamkeit, die Sehnsucht, der Hunger, die Abstumpfung, die Demütigungen der Schließer, ihre Betrügereien, die Bestrafung von tatsächlichen oder vermeintlichen Vergehen oder der Hass in den Augen dieser Übermenschen! Oder war es manchmal das monotone Knirschen jener Schwebebahn, die den nördlichen und südlichen Teil der kilometerlangen Stadt über der Wupper verbindet und die mich jeden Morgen früh durch das düstere Geräusch aus dem alles vergessenden Schlaf weckte? Die Antwort muss ich hier schuldig bleiben.“
Antifaschistische Demonstration in Erinnerung an Thomas »Schmuddel« Schulz und allen Opfern rechter Gewalt am 29.03.2025 in Dortmund
Aufruf zur antifaschistischen Demonstration gegen rechte Gewalt in Erinnerung an Thomas »Schmuddel« Schulz
Am 28. März 2025 jährt sich der Mord an Thomas Schulz zum 20. Mal. Diesen Jahrestag wollen wir zum Anlass nehmen, um nach längerer Zeit wieder mit einer Demonstration in Dortmund an die Tat zu erinnern und die Kontinuitäten rechter Gewalt zu benennen. Denn zum einen verblasst nach zwei Jahrzehnten das öffentliche Bewusstsein für die Tat zusehends, zum anderen ist gegenwärtig auch kein Ende rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Sicht.
Ein Blick zurück
Um kurz nach 19.00 Uhr traf der damals 17-jährige Neonazi Sven Kahlin an der U-Bahn-Station »Kampstraße« auf eine Gruppe Punks, die auf dem Weg zu einem Konzert waren. Nach einem Wortgefecht wollte einer von ihnen, Thomas Schulz, der von seinen damaligen Freund*innen »Schmuddel« genannt wurde, die rechten Beleidigungen Kahlins nicht unkommentiert lassen und folgte ihm die Rolltreppe hinunter auf das U-Bahn-Gleis. Dort zog der Neonazi plötzlich ein Messer und stach es Thomas mit erheblicher Wucht ins Herz. Thomas Schulz starb wenig später im Alter von 31 Jahren im Krankenhaus und hinterließ eine Familie.
Es bedurfte damals keiner aufwendigen Recherchen, um einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Mord an Thomas Schulz und der Ideologie des Täters herzustellen. Sven Kahlin war Mitglied in der damals noch aktiven »Skinhead-Front Dortmund-Dorstfeld«, machte aus seinem neonazististischen Weltbild keinen Hehl und war bereits vor der Tat mit Angriffen auf Punks in Erscheinung getreten. Dennoch konnte das Gericht im anschließenden Strafprozess keine politische Gesinnung hinter dem tödlichen Messerstich erkennen, der dieserart zu einem aus dem Ruder gelaufenen Streit verharmlost wurde. Nach einigen Jahren Strafhaft wurde Sven Kahlin schließlich wegen einer angeblich »günstigen Sozialprognose« vorzeitig entlassen und prügelte sich danach weiter durch Dortmund: Erst beteiligte er sich 2010 an einem Überfall der »Skinhead-Front« auf die linke Kneipe »Hirsch-Q«, ein Jahr später schlug er einen türkischen Jugendlichen zusammen – auch hier vermochte das Gericht keine rassistische Motivation zu erkennen. Kahlin zeigte sich zwischenzeitlich in einem T-Shirt mit der unmissverständlichen Aufschrift »Ich bereue nichts«.
Die Schilderungen stehen sinnbildlich für den fatalen Umgang der Justiz mit rechter Gewalt in Dortmund, die den Neonazis damals einen regelrechten Freifahrtschein ausstellte. Polizei und Stadtverwaltung standen dem kaum nach: Das massive Nazi-Problem der 2000er Jahre wurde ignoriert und verharmlost – ein Verhalten, das maßgeblich zur Verfestigung neonazistischer Strukturen in Dortmund beitrug. So waren es ab dem Jahr 2005 vor allem Antifa-Gruppen, die das Problem ernst nahmen und sich den Neonazis in den Weg stellten. Kurz nach dem Mord an Thomas Schulz demonstrierten rund 4.000 Antifaschist*innen in Dortmund. Bis zum Jahr 2015 organisierten Antifa-Gruppen jährlich zum Todestag eine antifaschistische Gedenkdemonstration.
Erst im vergangenen Jahr, also 19 Jahre später, wurde der Mord im Rahmen einer Neubewertung durch die Strafverfolgungsbehörden als politisch motivierte Tat eingestuft und Thomas Schulz auch offiziell als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt. Auch wenn damit endlich eine der Forderungen der jährlichen »Schmuddel-Demo« erfüllt wurde, kommt dies viel zu spät und ändert letztlich nichts an der skandalösen Geschichte des Umgangs mit rechter Gewalt in Dortmund.
Dortmund, eine Zentrale des Neonazismus
Es verging etwas über ein Jahr nach dem Tod von Thomas Schulz, bis in Dortmund wieder ein Mensch von Neonazis ermordet wurde: Am 04. April 2006 wurde Mehmet Kubaşık in seinem Kiosk an der Mallinckrodtstraße von Mitgliedern des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) erschossen. Diese Tat entpuppte sich erst als rassistisch motivierte Hinrichtung, als der NSU sich selbst enttarnte. Obwohl seine hinterbliebenen Familienangehörigen diesem Verdacht folgend noch im selben Jahr der Ermordung in Dortmund eine Demonstration mit der Forderung »Kein 10. Opfer« organisierten. Selbstkritisch müssen wir einräumen, dass auch wir diese rechte Mordserie nicht als solche erkannt haben, genauso wenig wie die Ermittlungsbehörden. Es ist erstaunlich, dass sie trotz eines Hinweises einer Zeugin auf Neonazis auch im Dortmunder Fall das Motiv nur im näheren Umfeld des Opfers suchten – ein Indiz für die Wirkung von strukturellem Rassismus in Behörden. Dabei drangsalierten sie Mehmet Kubaşıks Familie und unterstellten ihm vermeintliche Kontakte in kriminelle Milieus.
Ein Motiv hätte man in der Dortmunder Neonazi-Szene leichter finden können, da es tatsächlich enge Verbindungen zu den Tätern des NSU gab. Für eine Unterstützung des NSU vor Ort spricht neben einer von Neonazis frequentierten Kneipe in der Nähe des Kiosks, dass sich Neonazis aus dem Umfeld der Dortmunder RechtsRock-Band »Oidoxie« als »Combat 18«-Zelle im rechtsterroristischen »Blood and Honour«-Netzwerk organisierten. Auch Stephan Ernst, der Mörder von Walter Lübcke, war im Jahr 2009 in Dortmund zu Gast und attackierte zusammen mit anderen Neonazis eine 1. Mai-Demonstration des DGB.
Spätestens seit dem Beginn dieses Jahrtausends wissen wir: Die Dortmunder Neonazis sind nicht nur organisatorisch und ideologisch eng mit rechten Mördern verbunden, sondern sie üben auch selbst regelmäßig Gewalt aus – ganz im Sinne ihrer Ideologie. Der Mord an Thomas Schulz war letztlich die Folge des Versuchs, die eigenen Machtphantasien als »Nationaler Widerstand Dortmund« brutal in die Tat umzusetzen.
Kontinuitäten und Wandlungen
Die Täter*innen von damals, die in den Jahren 2000 bis 2009 noch als »Autonome Nationalisten« an gewalttätigen Übergriffen beteiligt waren und den Mord an Thomas Schulz verherrlichten, waren später als Parteifunktionär*innen in der Partei »Die Rechte« (nach der Fusionierung mit der NPD als »Die Heimat«) aktiv. Und auch als solche übten sie Gewalt aus und trugen mit der Organisation des »Kampf der Nibelungen« zur weiteren Etablierung einer rechten Kampfsportpraxis bei. Doch in den vergangenen Jahren durchlief der organisierte Neonazismus in Dortmund einige große Veränderungen. Die wohl spektakulärste ist der Wegzug mehrerer langjähriger Führungsfiguren in ostdeutsche Bundesländer, die für sich keine politische Perspektive mehr im Ruhrgebiet sahen. Auch die strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung von rechten Gewalttätern wie dem untergetauchten Steven Feldmann, der sich zugleich als Straßenschläger und Social-Media-Star der Szene versucht hatte, hat die örtliche Neonazi-Szene verändert. Die personellen Lücken sind seither eindrücklich bemerkbar und schlagen sich in einem deutlich geringeren Aktionsniveau und verminderter Handlungsfähigkeit nieder.
Das alles darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Dortmund über Jahre hinweg ein zentraler Schwerpunkt rechter Gewalt war, dessen Akteur*innen sich nach wie vor hier bewegen und über aktive Strukturen verfügen – auch wenn sie ihre Handlungsfähigkeit eingebüßt haben. Insofern sind Einschätzungen, die Dortmunder Szene sei zerschlagen, wie es jüngst noch einmal der Dortmunder Polizeipräsident bekräftigte, wohl eher dem halbgaren Blick aus strafrechtlicher Perspektive geschuldet als einer tatsächlichen Analyse neonazistischer Organisation in Dortmund. Vergessen wir nicht: Ähnliche verbale Kraftmeiereien haben sich bisher immer als Trugschluss erwiesen.
Umgekehrt bleibt die Behauptung des Neonazis Sven Skoda auf einer Kundgebung Ende letzten Jahres in Dorstfeld vor nur ein paar Dutzend Kamerad*innen, »das Revier« sei durch den Nachwuchs »gewachsen«, offensichtlich Wunschdenken. Doch die neuerliche Beteiligung einiger rechtsaffiner Jugendlichen in der Szene lässt bei den Dortmunder Neonazis und ihrem neuen Wortführer Skoda offenbar wieder Hoffnung aufkeimen. Tatsächlich sind in Dortmund in den vergangenen Monaten einige jüngere Neonazis aufgefallen, die gemeinsam rechte Aufkleber klebten oder unter eigentümlichen Bezeichnungen wie »Deutscher Störtrupp« versuchten, CSD-Veranstaltungen im Ruhrgebiet zu stören. Auch wenn die Dortmunder Neonazis in den vergangenen Jahren immer wieder rechte Jugendcliquen angezogen haben, darf bezweifelt werden, dass sich mit den teilweise Minderjährigen nun eine neue Kameradschaftsszene aufbauen lässt.
Von den Basenballschlägerjahren zum Rechtsruck?
Gleichwohl sind die Nazi-Kids Ausdruck einer bestehenden Attraktivität rechter Ideologien für Jugendliche. In den vergangenen Jahren ist durchaus bundesweit zu beobachten, dass sich jüngere Neonazis in neuen Gruppierungen wie der »Elblandrevolte«, der »Nationalrevolutionären Jugend« oder der »Division MOL« formieren und Gewalt ausüben. Auffällig ist, dass sich einige dieser Jugendlichen wieder am subkulturellen Habitus der Neonaziszene der 1990er Jahre orientieren und sich mit Springerstiefeln und Bomberjacke kleiden. Dies ruft Erinnerungen an die mittlerweile als »Baseballschlägerjahre« bezeichneten Eskalationen rechter Gewalt in diesem Jahrzehnt wach, die zahlreiche Todesopfer forderten. Offenbar imitieren die Nachwuchs-Neonazis ihre Elterngeneration, wenn sie sich nun aktiv an Übergriffen beteiligen – entweder um kameradschaftliche Anerkennung zu erlangen oder schlicht aus ideologischer Überzeugung.
Auch, wenn die rechte Gewalt aktuell nicht das Niveau der neunziger Jahre erreicht hat, bricht sie spätestens seit dem Jahr 2015 wieder verstärkt aus. Neben unzähligen Angriffen auf Migrant*innen und Linke haben dies insbesondere die rassistischen Mobbildungen in Sachsen, die in den Ausschreitungen in Chemnitz gipfelten, der Mord an Walter Lübcke, der antisemitische Anschlag auf die Synagoge in Halle und der rassistische Anschlag in Hanau verdeutlicht. Hinzu kommen immer wieder neue Enthüllungen über rechte Netzwerke, die sich bewaffnen und Umsturzfantasien hegen. Neben der Gewalt von Neonazis ist auch in unorganisierten rechten Milieus eine Radikalisierung zu beobachten, die den Schritt zur Gewaltausübung immer kürzer werden lässt.
Als ein Faktor dafür muss die Veränderung der politischen Kultur der letzten Jahre benannt werden, die vor allem durch die zunehmende Präsenz der »Alternative für Deutschland« bestimmt wird, die die Normalisierung ihrer rassistischen und nationalistischen Ideologie vorantreibt. Ob der Begriff des »Rechtsrucks« dafür angemessen ist, bleibt fraglich. Denn dann müsste man davon ausgehen, dass die Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten weniger rechts geprägt war. Deswegen lässt sich besser von rechten Kontinuitäten sprechen. Zumindest aber haben die AfD und ihre Vorfeldorganisationen in den letzten Jahren ein Klima geschaffen, in dem sich rechte Gewalt immer weniger verstecken muss. Es ist auch die Rhetorik der Partei, die der alltäglichen Gewalt gegenüber Migrant*innen, Geflüchteten, queeren Menschen und allen, die als »anders« markiert werden, weiter die Tür öffnet.
Die AfD ist zwar nicht die neue NPD, aber es gelingt ihr, einen relevanten Teil der Bevölkerung mit rechten Einstellungen hinter sich zu versammeln, die die AfD übrigens nicht wider besseres Wissen, sondern aus Überzeugung und autoritärem Ressentiment wählen. Die noch existierenden neonazistischen Splitterparteien blicken daher gleichsam neidvoll und wütend auf die AfD. Allerdings scheint es für eine rechte Wählerschaft leichter zu sein, eine Partei zu wählen, die mit bizarren Formulierungen eine Distanz zum Nationalsozialismus vorgibt, als einen Nazi-Kandidaten zu wählen, der Hitler stolz auf die Wade tätowiert hat. Allerdings können Unvereinbarkeitslisten und andere Feigenblätter nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich auch in AfD-Kreisen rechte Gewalttäter*innen tummeln, sei es als Mitarbeiter*innen von Abgeordneten oder gleich in militanten Vereinigungen wie den »Sächsischen Separatisten«.
Wider die Verharmlosung rechter Gewalt
Das Muster solcher und ähnlicher Gruppierungen beruht auf einer geradezu apokalyptischen Wahrnehmung gesellschaftlicher Veränderungsprozesse: Rechte Buzzwords wie »Großer Austausch« oder »Volkstod« deuten darauf hin, dass die extreme Rechte den vermeintlich fremdbestimmten Untergang der »deutschen Kultur« kommen sieht, der nur noch mit Gewalt aufgehalten werden kann. Der rechte Hass auf Liberalisierung entlädt sich dann an denjenigen, die im rassistischen und antisemitischen Weltbild dafür verantwortlich gemacht werden, seien es Migrant*innen, Jüd*innen oder Politiker*innen. Diese Erzählung findet sich auch durchgängig in den Pamphleten rechter Terrorist*innen. Neonazis und rechte Netzwerke leiten aus dieser Ideologie die Vorstellung einer Art Bürgerkrieg ab, der – ausgelöst durch einen »Tag X« – das politische System destabilisieren soll, um sich selbst als Ordnungsmacht zu inszenieren und so Einfluss zu gewinnen. Dennoch scheinen nicht unerhebliche Teile der Gesellschaft bei Gewalttaten oder der Aufdeckung rechtsterroristischer Gruppierungen immer wieder davon überrascht zu sein, dass Neonazis ihre Gewalt- und Vernichtungsvorstellungen auch in die Tat umsetzen wollen.
Dieser Zustand ist auch Folge einer jahrelangen Verharmlosung und Leugnung rechter Gewalt. Die Taten werden entpolitisiert, indem entweder der rechte Hintergrund ignoriert wird oder reflexartig Vergleiche mit linker Gewalt gezogen werden, die auf eine Relativierung hinauslaufen. Dies führt auch dazu, dass die Situation und die Ängste von Betroffenen nicht ernstgenommen werden und ihre Perspektive nicht in die Bewertung rechter Gewalt einfließt. Der alltägliche Antisemitismus und Rassismus, dem die Betroffenen ausgesetzt sind, wird daher kaum registriert, so dass offenbar immer erst schwere Gewalttaten der Auslöser für eine halbherzige Auseinandersetzung mit rassistischen und antisemitischen Verhältnissen sein müssen. So ist es nicht verwunderlich, dass nach immer wiederkehrenden Gewalttaten und Anschlägen zwar ein kurzes Aufbegehren zu spüren ist, aber kaum Konsequenzen gezogen werden.
Im besten Fall wird rechte Gewalt als »unverzeihlich« und »nicht tolerierbar« deklariert, eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Verhältnissen, die diese Gewalt erst ermöglichen, findet in der Praxis jedoch nicht statt. Zivilgesellschaftliche Akteur*innen stehen dieser Herangehensweise oft nur in wenig nach – in dem rechte Gewalt allein als Gefahr für die Demokratie betrachtet wird und sich in einem gemeinsamen »Nie Wieder« eingeschworen wird.
What’s left?
Insofern muss eine antifaschistische und kritische Auseinandersetzung mit rechter Gewalt immer auch deren Entstehungsbedingungen reflektieren, die mit den Verhältnissen in kapitalistischen Gesellschaften zusammenhängen. In diesen ist das Leben der meisten Mensche von Erfahrungen der Entfremdung, Konkurrenz, Ohnmacht, Vereinzelung und Widersprüchlichkeit geprägt. Deren Verarbeitung fällt umso regressiver aus, je stärker autoritäre Dispositionen ausgeprägt sind. Rechte Ideologien bieten hier vermeintliche Orientierung und Erklärungsmuster, die mit rassistischen und antisemitischen Feindbildern sowie der Vorstellung einer homogenen, bedrohten Gemeinschaft operieren. Hinzu kommen Männlichkeitskult und Verschwörungsphantasien. Der Akt der Gewalt manifestiert den Prozess der Ausgrenzung des Anderen und schafft eine als überlegen empfundene Identität. Betroffene von rechter Gewalt werden von den Täter*innen somit entindividualisiert und zu Objekten der eigenen Projektionen und unterdrückten Bedürfnisse gemacht.
Damit soll nicht behauptet werden, dass Neonazis einfach ein zwangsläufiges Ergebnis einer kapitalistisch organisierten Gesellschaft sind – es ist schließlich eine persönliche Entscheidung, sich einer solchen Ideologie anzuschließen. Aber der Kapitalismus trägt durch seine strukturellen Ungleichheiten und sozialen Spannungen zur Entstehung eben dieser Gewalt bei, weil die Mechanismen von rassistischer und antisemitischer Abwertung sowie rechter Gewalt eng mit den gesellschaftlichen Verhältnissen verbunden sind. Gleichzeitig ist rechte Gewalt keine beliebige Reaktion darauf, sondern wird von den Täter*innen bewusst eingesetzt, um eigene ideologische Vorstellungen umzusetzen und Angst zu erzeugen. Dennoch werden rechtsmotivierte Übergriffe in der Regel nicht als Teil eines größeren gesellschaftlichen Problems, sondern als isolierte Einzelschicksale wahrgenommen. Neonazistische Gewalt kann jedoch nicht gestoppt werden, ohne die Verhältnisse zu benennen und abzuschaffen, in denen die (gewalttätige) Ausgrenzung von Menschen immer wieder Konjunktur hat.
Bei aller Relevanz ideologiekritischer Analysen haben diese natürlich keinen Einfluss auf die Folgen für die Betroffenen, die unter der Gewalt leiden. Antifaschistische Kritik darf sich deshalb nicht nur auf die Auseinandersetzung mit den Täter*innen fokussieren, sondern muss auch die Perspektive der Betroffenen einbeziehen. In diesem Sinne sind in den letzten Jahren zahlreiche Initiativen und Projekte entstanden, in denen sich Betroffene von rechtem Terror organisiert und ihre Forderungen öffentlich gemacht haben. Dennoch bleiben diese oft unerfüllt oder ungehört – wie beispielsweise der Wunsch der Hinterbliebenen der NSU-Morde nach einer lückenlosen Aufklärung der Taten und entsprechenden Konsequenzen.
Deshalb ist die Erinnerung an rechte Morde wie den an Thomas Schulz weiterhin von Bedeutung, nicht um Nostalgie oder Mythenbildung willen, sondern um die Kontinuität rechter Gewalt aufzuzeigen und diese in den Kontext gesellschaftlicher Verhältnisse zu stellen. Ein breites Gedenken ist aber nicht um jeden Preis zu haben: Waren bereits vor dem 7. Oktober 2023 auf Gedenkdemonstrationen zum rassistischen Anschlag von Hanau schon Parolen wie »Von Hanau bis nach Gaza – Yallah Intifada« zu hören, so sind nach dem Massaker der »Hamas« die Dämme des Antisemitismus vollends gebrochen. Seitdem gehen linke Gruppierungen auf die Straße, die die eigene Verklärung des islamistischen Terrors als Kampf gegen Rassismus verkaufen und sich nicht scheuen, das Gedenken an die Opfer rechten Terrors in den Wunsch nach der Vernichtung Israels einzubetten. An vielen Stellen und in linken Bewegungen haben sich anschließend tiefe Gräben aufgetan. Diese Gräben können allerdings für die gute Sache nicht einfach zugeschüttet werden. Die kritische Auseinandersetzung mit rechter Gewalt bedeutet für uns daher auch, deutlich gegen den gegenwärtigen antisemitischen Furor und dessen Apologet*innen Stellung zu beziehen sowie islamistische Gewalt zu thematisieren.
#twentyyearslater
Wir wollen auf die beschriebene Kontinuität und akute Gefahr rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt aufmerksam machen. Deshalb wollen wir – 20 Jahre nach dem Mord an Thomas Schulz – am 29. März 2025 in Dortmund demonstrieren. Wir wollen an diesem Tag nicht nur an Thomas Schulz erinnern, sondern auch an alle, die dieser rechten Gewalt zum Opfer gefallen sind. Die Erinnerung an Thomas Schulz’ Tod ist für die Dortmunder Antifa-Gruppen nach wie vor ein wichtiger Teil der Gedenkpolitik. In der breiten Öffentlichkeit droht diese Erinnerung jedoch zu verblassen. So gibt es auch nach 20 Jahren an der »Kampstraße« immer noch keinen visuellen Hinweis, der an den Tod von Thomas Schulz erinnert. Obwohl Lokalpolitiker*innen versprochen hatten, eine Gedenktafel anzubringen, waren es letztlich immer wieder Antifaschist*innen, die über viele Jahre hinweg zum Todestag eine temporäre Gedenktafel anbrachten. Die Dortmunder Verkehrsbetriebe entfernten diese jedoch stets nach kurzer Zeit wieder.
Umso wichtiger ist es, die Tat wieder ins Bewusstsein zu rücken. Wir sind der Auffassung, dass es dazu notwendig ist, den Todestag auch in diesem Jahr wieder mit einer Demonstration zu besetzen. Wie schon bei den bisherigen »Schmuddel«-Demos wollen wir damit unsere Kritik an Rassismus, Antisemitismus und der Verharmlosung rechter Gewalt sowie unsere Solidarität mit den Betroffenen lautstark in die Öffentlichkeit tragen.
Kommt also am 29. März (wieder) nach Dortmund und geht mit uns auf die Straße, wenn es heißt: Kein Vergeben und kein Vergessen!
Am 25. März 2025 jährt sich der fürchterliche Brandanschlag auf das Haus
in der Grünewalder Straße 69 in Solingen-Höhscheid. In dem Feuer starb
ein türkisch-bulgarisches Ehepaar, Kancho Emilov Zhilov, sowie Katya
Todorovo Zhilova und ihre beiden Töchter, Galia Kancheva Zhilova (3
Jahre) und Emily Kancheva Zhilova (1 Jahr). Dutzende weitere
Bewohner*innen mit Migrationsgeschichte erlitten schwere Verletzungen
und Traumatisierungen.
Viele Menschen, nicht nur in Solingen, hat diese Tat sofort an den
Brandanschlag von 1993 erinnert. Dennoch schloss die Wuppertaler
Staatsanwaltschaft nach nur einem Tag ein rechtsextremes Motiv aus, es
gäbe keine „Anhaltspunkte“ für ein fremdenfeindliches Motiv, hieß es.
Vor einem Jahr schrieben wir: „Das sehen wir nach den Erfahrungen mit
dem mörderischen Brandanschlag von Solingen 1993, nach den NSU-Morden,
nach Hanau und Halle anders.
Die aktuell laufende rassistische Mobilisierung erinnert – nicht nur uns
– an die gesellschaftliche Stimmung der 90iger Jahre vor Rostock, Mölln
und Solingen. Und wir sehen bei der aktuellen Hetze gegen Migrant*innen
und Geflüchteten leider zahlreiche „Anhaltspunkte“ für eine rassistische
Gewalttat.“
Das sehen wir nach einem Jahr noch genauso. Zumal erst letzte Woche,
kurz vor Prozessende auf Betreiben der Anwältin der Nebenklage die
Existenz einer Festplatte mit nazistischen und rassistischen Inhalten
öffentlich bekannt wurde, die möglicherweise dem Angeklagten zugeordnet
werden kann.
Außerdem fanden die Ermittler, laut ND vom 13.3.2025, einen »Chat
zwischen dem Tatverdächtigen und seiner Lebensgefährtin. In dem Chat
beklagte sich der geständige Täter, er habe in der Silvesternacht wegen
der »Kanaken« keinen Parkplatz bekommen und »hoffte, dass ein
»Polen-Böller« unter ihnen »etwas mehr Schaden anrichtet«.
Wir erwarten, dass diesen neuen Spuren nachgegangen wird.
Wir fordern daher zusammen mit den Angehörigen eine umfassende und
lückenlose Aufklärung des Verbrechens. Die Angehörigen möchten wissen,
warum ihre Liebsten ermordet wurden.
Wir fordern Adalet (Gerechtigkeit)!
Lassen wir die betroffenen Familien nicht allein.
Besucht den Prozess am Landgericht Wuppertal
Unutturmayacağız!
Niemand ist vergessen!
Kommt alle!
Es rufen auf:
Türkischer Volksverein Solingen und Umgebung e.V.
Kein Platz für Nazis Wuppertal
Herkesin Meydanı – Platz für Alle (Köln)
VVN-BdA Solingen
NSU-Watch NRW
Die Linke Solingen
Solinger Appell
Pressemitteilung – Kein Platz für Nazis Wuppertal:
Am 19.2.2025 um 17:00 Uhr findet unsere Gedenkdemonstrationen zum 5. Jahrestag der rassistischen Morde von Hanau am Wupperfelder Markt statt.
Wie die Wuppertaler Antifa-Recherche-Gruppe herausgefunden hat (https://de.indymedia.org/node/493379) lädt das AfD-Mittelstandsforum ebenfalls für den 19.2.2025 zu einer Veranstaltung in das Restaurant Donau-Stuben ein.
Wir finden es sehr bedauerlich, dass das alteingesessene Lokal offensichtlich zum Stammlokal der Ausländerfeinde und Rassisten der AfD geworden ist.
Wir hoffen natürlich, dass alle Wuppertaler Feinschmecker*innen und Demokrat*innen aus dieser Entscheidung nicht nur kulinarische Konsequenzen ziehen!“
Aufgrund der angekündigten AfD-Veranstaltung in den Donau-Stuben am 19.2.2025 ab 18:30 ändert die Hanau-Gedenkdemonstration ihren Weg und führt zu den Donau-Stuben in Wuppertal-Barmen in die Concordienstraße. Die Demoroute ist entsprechend angepasst worden.
Kein Platz für Nazis Wuppertal
Erinnern heißt handeln!
Wir bedanken uns bei der Recherchegruppe.
Danke Antifa!
Aufruf – 19. Februar 2025
Say Their Names – Erinnern heißt kämpfen
Alle zusammen gegen den Faschismus!
19. Februar 2025
17:30 Uhr
Gedenkkundgebung am Wupperfelder Markt
Am 19. Februar jährt sich der rassistische Anschlag in Hanau zum 5. Mal.
Wir gehen auch in Wuppertal wieder auf die Straße, um an die 9 Menschen
zu erinnern, die von einem Faschisten ermordet wurden.
Wir erinnern an Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi,
Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu,
Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov.
Wir möchten mit einer Gedenkfeier am Wupperfelder Markt starten und dann
gemeinsam durch die migrantisch geprägten Stadtteile Oberbarmen und
Heckinghausen zum AfD-Büro in Heckinghausen ziehen.
Wir ziehen mit unserer Demo durch Oberbarmen und Heckinghausen, weil
beide Viertel – immer schon – migrantisch geprägt waren. Hier leben
viele Menschen, die die AFD-Nazis deportieren lassen wollen. Das ist die
richtige Gegend, um zusammen mit den bedrohten Menschen gegen die Pläne
der AFD und ihrer bürgerlichen Steigbügelhalter*innen zu demonstrieren.
Besonders in Wuppertal-Oberbarmen werden die dort lebenden Menschen in
ihren Shisha-Bars, Cafés und Treffpunkten in den Medien und
Socialmedia-Kanälen regelmäßig als kriminell diffamiert und rassistisch
angegriffen. Diese Hetze wird orchestriert durch martialische Razzien
wegen angeblicher Clan-Kriminalität durch Polizei und Ordnungsamt.
Lassen wir die Leute nicht allein, auch nicht, wenn sie in der
Öffentlichkeit und mit Polizeirazzien pauschal als „gefährlich“ markiert
und letztlich zum Abschuss freigeben werden.
Vor einem Jahr demonstrierten noch Millionen Menschen gegen die
„Remigrationspläne“ der Nazis. Ein Jahr später, am nun historisch
gewordenen 29.1.2025, hat Friedrich Merz zusammen mit der FDP mit Ansage
die Brandmauer gegen die AfD zerstört und wissentlich einen
rassistischen und dazu offensichtlich rechtswidrigen Antrag mit Hilfe
der AfD verabschiedet.
„Ein marokkanisches Kind tot, ein syrischer Junge schwer verletzt, ein
Deutscher mit Zivilcourage tot – der AfD-Haufen nutzt das Leid in
#Aschaffenburg für Hetze gegen alle Geflüchtete.
Kein Mitgefühl, nur Hass und Stimmenfang. Diese Partei ist der Inbegriff
von Niedertracht.“
Heute kann man die aggressive Anti-Migrationspolitik der bürgerlichen
Parteien kaum mehr von dem AfD-Original unterscheiden. Alles scheint
jetzt erlaubt. US-Präsident Trump und Elon Musk lassen grüßen. Ein
ekelhafter rassistischer Überbietungswettbewerb setzt ein: Das
individuelle Asylrecht wollen sie jetzt endgültig in die Tonne treten.
Merz faselt unverblümt von der Ausbürgerung von „migrantischen
Straftätern“. Straffällig gewordene Doppelstaatler sollen die deutsche
Staatsangehörigkeit verlieren können. Die Union träumt ganz offen von
Melonis Internierungslagern in Albanien oder von EU-Lagern in Ostafrika.
„Wer schützt marginalisierte Communties vor der Radikalisierung der
deutschen Politik? Wer gibt ihnen Sicherheit, wenn fast alle Parteien
aus jedem Problem ein Migrationsproblem machen? Wie sicher ist unsere
Existenz, wenn wir zum täglichen Spielball einer Politik werden, die nur
noch Stammtischparolen kennt?“ (Burak Yilmaz)
Auf der anderen Seite tun sich interessante neoliberale Allianzen auf.
AfD, FDP und die Union wollen unisono den Reichen durch Steuergeschenke
weiter die Taschen füllen und gleichzeitig hetzen sie gegen
Migrant*innen und Erwerbslose. Diese ekelhaften programmatischen
Gemeinsamkeiten werden in kurzer Zeit zu bürgerlichen Koalitionen mit
der AfD in den Ländern und später im Bund führen. Uneinig sind sie nur
noch, was ihr Verhältnis zu Putin betrifft. Auch SPD und Grüne würden
nach der Wahl gerne wieder mitspielen. Am liebsten als Juniorpartner der
CDU. Und sie sind bereit alles mitzumachen, egal ob inhumane
Migrationspolitik oder Angriffe auf Bürgergeld-Bezieher*innen.
Zurück auf die Straße – Den Nazis das Wasser abgraben
Es ist also wieder höchste Zeit, sich umfassend antifaschistisch zu
organisieren. Zunächst geht es aber darum wieder sichtbar zu sein.
Nazis und Rassist*innen sollen wieder ein bisschen Angst bekommen.
Zurück auf die Straße und in die Stadtteile:
Nehmen wir die Drohung mit massiven Abschiebungen unserer Nachbarn sehr
ernst. Wir brauchen wieder stärkere Unterstützungsstrukturen für
Abschiebebedrohte bis hin zum Kirchenasyl. Beobachten wir die
rassistischen Razzien von Polizei, Ordnungsamt und Jobcenter.
Unterstützen wir unsere Nachbarn, die von Polizeigewalt betroffen
sind.Möglicherweise brauchen wir wieder gemeinsame Schutzstrukturen in
den Stadtteilen wie 1993 nach dem Solinger Brandanschlag.
Eine „antifaschistische und solidarische Wirtschaftspolitik“ könnte ein
gutes Mittel gegen die allgemeine Faschisierung sein. Oder wie es Bernie
Sanders kurz nach dem Machtantritt von Trump treffend formulierte:
„Lasst uns kämpfen für bezahlbares Wohnen, gute Gesundheitsversorgung,
Bildung für alle und armutsfeste Löhne,
reduzieren wir gemeinsam die Vermögensungleichheit und bekämpfen wir den
Klimawandel.“ Insbesondere die „Reduktion der Vermögensungleichheit“
muss entschlossen von unten erkämpft werden.
Liebe Wuppertaler*innen mit internationaler Geschichte!
Lasst uns mit „unseren deutschen Landsleuten“ nicht allein!
Schluss mit der Hetze gegen unsere Nachbar*innen!
Schluss mit den rassistischen Polizeikontrollen!
Wahlrecht für alle Wuppertaler*innen!
Nazis in der Wupper versenken!
Ein gutes Leben für alle!
„Don’t panic, stay focused, get organised!“ (Bernie Sanders)
„Bleiben Sie empathisch / mitfühlend. Wer die Demokratie besiegen will,
versucht oft, Empathie zu zerstören. Das Ziel ist Entmenschlichung,
Dämonisierung und Spaltung. Eine der besten Möglichkeiten, sich zu
wehren, ist aktiv Empathie zu entwickeln. Tun Sie ihr Bestes, um die
Gefühle und Perspektiven anderer Menschen zu verstehen. Empathie hilft
gegen Faschismus und Hass. Ohne Empathie gibt es keine Demokratie. Seien
Sie mutig. Mut, Glaube und Optimismus sind unerlässlich. Faschismus
nährt sich von Zynismus und Pessimismus. Hungert ihn aus. Kein Regime
währt ewig. Entschließen Sie sich, Ihren Teil dazu beizutragen.“ (Lakoff
/ Duran: Keep democracy alive)
————————–
Dokumentation „Wuppertaler Antifa-Recherche deckt auf: AfD-Veranstaltung am 19.2.25 soll in den „Donau-Stuben“ stattfinden“:
Wie eine Antifa-Recherche ergeben hat, soll die AfD-Veranstaltung „Wege aus der Krise“ mit Sebastian Schulze (Vorstand Mittelstandsforum der AfD) terminiert für den 19. Februar in den „Donau Stuben“ in Wuppertal-Barmen (Concordienstraße 4, 42275 Wuppertal) in unmittelbarer Nähe des Rathauses stattfinden.
Es ist nicht verwunderlich, dass die Antifa-Recherche auf die „Donau-Stuben“ stieß. Das Restaurant gab sich schon mindestens zweimal für die faschistische Propaganda her. Das haben andere Recherchen ergeben (siehe „Die AfD in Wuppertal – Eine Bestandsaufnahme“).
Auch die letzte Veranstaltung „Die verfehlte Energiepolitik der Ampel“ am 31. Januar hat zweifelsfrei dort stattgefunden. Das belegt ein Foto, dass die AfD auf ihren Social Media-Kanälen veröffentlichte (siehe Bilder im Anhang).
Eine pikante Zusatzinformation in diesem Zusammenhang ist, dass die CDU dort mutmaßlich ebenfalls regelmäßig verkehrt. Da stellt sich natürlich die Frage, ob die von Friedrich Merz bereits eingerissene Brandmauer gegen die AfD auch hier in Wuppertal still und heimlich erledigt wurde? Da der Wuppertaler CDU-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl Haldenwang bekanntlich in seiner früheren Funktion als „Verfassungsschützer“ weder den Rechtsdrall des eigenen Vorgesetzten Maßsen, noch den Nazihintergrund der NSU-Morde erkennen konnte, würde das nicht groß verwundern. Auch wenn sich Haldenwang stets um ein liberales Images bemüht.
Es ist sicher ratsam, wenn sich die antifaschistische Zivilgesellschaft mit den „Donau-Stuben“ befasst.
*UPDATE* Nach Bekanntwerden hat der Betreiber der EventHalle Schwelm den Mietvertrag mit der AfD gekündigt.
Inzwischen ist die Unterseite für die Veranstaltung in Schwelm gelöscht. Die Wahlkampfveranstaltung soll nach Angaben der AfD NRW jetzt am 18.2. im Eventzentrum an der Gräwenkolkstraße in Marl-Sinsen stattfinden. Widersetzen und weitere lokale Initiativen rufen zum Gegenprotest auf. Aus Wuppertal gibt es eine gemeinsame Anreise. Treffpunkt: 14:15 Uhr – Gleis 4 – Wuppertal HBF
Für den 18. Februar kündigt die AfD NRW eine Wahlkampfgroßveranstaltung von 18:00 bis 21:00 Uhr in Schwelm an. Als Redner sind Tino Chrupalla (Bundessprecher der AfD sowie seit 2021 Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion), Kay Gottschalk und Martin Vincentz (Landessprecher AfD NRW) und Bernd Baumann aus Hamburg angekündigt. Aus Angst vor antifaschistischen Protesten hält die AfD den genauen Veranstaltungsort in den aktuell beworbenen Ankündigungen geheim. Antifaschistische Recherchen zeigen, die Veranstaltung soll in der EventHalle stattfinden. [1]
Am 31. Januar 2025 veröffentlichte die AfD NRW eine Unterseite unter der URL afd.nrw/schwelm (Zeitstempel der Veröffentlichung bzw. Aktualisierung: 09:49:21) [2]
Dort verlinkt, die Ankündigung mit dem Ort bzw. der Adresse des Veranstaltungsortes sowie einem Anmeldeformular. Diese Version wurde vermutlich aus Angst vor antifaschistischen Protesten und dem Risiko, erneut eine Räumlichkeit zu verlieren, relativ schnell von der Webseite entfernt. Stattdessen wurde eine Version ohne konkrete Nennung des Ortes, aber wieder mit dem Formular zur Anmeldung für die Veranstaltung online gestellt. Fälschlicherweise wurde im Anmeldeformular in der Überschrift der 28. Februar angegeben, dies wurde mit der letzten Änderung vom 2. Februar um 21:42:42 korrigiert.
Ebenfalls am 31. Januar wurde etwa 30 Minuten nach der ersten Veröffentlichung um 10:18:08 eine weitere Veranstaltungsankündigung, diesmal für den 9. Februar in Wuppertal, veröffentlicht. Nachfragen beim Betreiber ergaben, dass die Veranstaltung nicht in seinen Räumlichkeiten stattfinden wird. Inzwischen wurde die Seite mit der ID 88267 unter der URL afd.nrw/wuppertal gelöscht und ist nicht mehr aufrufbar. Auch auf Instagram wurde (über bezahlte Werbung) für die Veranstaltung in Wuppertal geworben. [3]
Beide Beiträge auf der Webseite wurden vom Benutzeraccount „Pressesprecher NRW“ mit dem Pseudonym „tbeuter“ erstellt. Bei dem Benutzeraccount „tbeuter“ handelt es sich um das Konto was 2019 für Tim Beuter eingerichtet wurde. Neben seiner Aktivität als als Pressesprecher der AfD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, war Tim Beuter Autor des extrem rechten Online-Portals „FritzFeed“ (später umbenannt in „FlinkFeed“, inzwischen nicht mehr existent) und jahrelange führender Kopf bei der „Identitären Bewegung“ Köln. [4], [5]
Interessanterweise gab es ebenfalls eine Veranstaltungsankündigung mit dem gleichen Titel und den gleichen angekündigten Rednern für den 9. Februar in Essen. [6]
Wie der Lokalpresse zu entnehmen ist, kursierte in Krefeld auch eine Ankündigung für eine AfD-Veranstaltung am 18. Februar, obwohl der Betreiber, nachdem er erfuhr, dass es sich bei der Anmietungsanfrage um eine AfD-Veranstaltung handelt, umgehend der AfD abgesagt hat. Um den Betreiber über den Hintergrund der Anmietung im Unklaren zu lassen, wurde die Anfrage nicht unter dem Namen der AfD gestellt. [7]
Das Chaos bei der Ankündigung und Organisation der Veranstaltungen lässt darauf schließen, dass die Landesgeschäftsstelle der AfD NRW intern offensichtlich überfordert ist und es zudem schwierig zu sein scheint, geeignete Räumlichkeiten zu finden.
Am 18. Februar nach Schwelm – Keine AfD-Wahlkampfgroßveranstaltung in der EventHalle! Achtet auf Ankündigungen der lokalen antifaschistischen Initiativen.