Gedenken und Naziprovokationen

Aktualisiert am 8. November – 20:00 Uhr

Am 9. November jährt sich die Pogromnacht zum 73. Mal. Während in den vergangenen Jahren die Gedenkveranstaltungen in Wuppertal eher im kleinen Rahmen stattfanden, wird dieses Jahr alles anders.
Nach der Welle von gewalttätigen Angriffen durch die Wuppertaler Neonazigruppe um Kevin Koch, die ihren Gipfel in dem schweren Überfall auf Flohmarktbesucher_innen fand (Dokumentation), positioniert sich nun endlich auch die sogenannte Wuppertaler Zivilgesellschaft gegen Nazis.

So initiierten wenige Tage nach dem Angriff auf dem Flohmarkt und dem Skandal um den Vohwinkler Polizeichef Preuss autonome Aktivist_innen zusammen mit dem Bündnis „Kein Platz für Nazis“ eine breit angelegte Gedenkdemonstration zum Jahrestag der Pogromnacht. Die breite Mobilisierung zu dieser Demonstration lief sehr erfolgreich. Es rufen nun sämtliche Wuppertaler Ratsfraktionen (außer der NPD), Kirchengemeinden, Gewerkschaften und viele weitere Gruppen und Einzelpersonen auf, am 9. November in Vohwinkel zu gedenken.
Ziel der Gedenkdemonstration wird es sein, mit vielen Menschen mitten in Vohwinkel, direkt vor mehreren Wohnungen und Häusern verschiedener Nazis auf der Kaiserstrasse eine klares Statement gegen Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus, früher wie heute, zu setzen.

In dem Versuch, den großen politischen Erfolg der Gedenkdemonstration einzuschränken, hat die Wuppertaler Nazigruppe nun eine Kundgebung am selben Tag in Wuppertal-Elberfeld angemeldet. Diese wurde zwar von der Polizei, mit Hinweis auf das geschichtsträchtige Datum, verboten, die Nazis haben aber beim Kooperationsgespräch mit der Polizei bereits angekündigt, gegen das Verbot zu klagen. Es ist leider zu erwarten, dass sie damit in irgendeiner Gerichtsinstanz Recht bekommen werden.

Am Montag bestätigte das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Rechtsauffassung der Wuppertaler Polizei; somit bleibt die Nazikundgebung weiterhin nicht genehmigt. Die Nazis haben allerdings die Möglichkeit, auch noch das Oberverwaltungsgericht einzuschalten.

Heute hat auch das Oberverwaltungsgericht Münster die Beschwerde gegen Beschluss des Verwaltungsgericht Düsseldorf zurückgewiesen. Die letzte Möglichkeit für eine Klage wäre das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Als Reaktion auf die Ankündigung der Nazis, sich in Elberfeld zu treffen, ruft das Bündnis nun dazu auf, gleichberechtigt zur Demonstration in Vohwinkel, eine mögliche Kundgebung der Nazis zu verhindern.
Während die Vohwinkler Demonstration um 17:30 Uhr am Lienhardtplatz beginnt, wird nun auch dazu aufgerufen, sich bereits ab 17:00 Uhr an der Schwebebahnstation Döppersberg (Wuppertal-Hauptbahnhof) zu treffen.

Wenn die Nazis nun versuchen am Tag der Pogromnacht ihre Hetze auf die Strasse zu tragen, ist das ein nicht hinzunehmender Skandal. Wir werden vor Ort sein, um das zu verhindern, sollten sie ihre Kundgebung genehmigt bekommen„, sagt Inga Lindner von der antifaschistischen Initiative.
Und weiter: „Falls die Nazis am 9. November auf der Strasse sein werden, ist geplant, vom Treffpunkt am Hauptbahnhof gemeinsam loszuziehen, um die Kundgebung der Nazis konsequent antifaschistisch zu verhindern. Sollte es kein Treffen der Nazis geben, werden wir gemeinsam nach Vohwinkel fahren. Ebenso sind alle Antifaschist_innen, die in Vohwinkel demonstrieren aufgerufen, sich im Fall einer Nazikundgebung, nach dem Ende der Demonstration, den Protesten in Elberfeld anzuschließen.

Das Antifa-Café und autonome Antifaschist_innen rufen zudem für die Vohwinkler Demonstration zu einem Antifa-Block auf (Aufruf). Als Unterstützung der verschiedenen Aktionen ist ein Ermittlungsausschuss und ein Ticker auf Twitter geschaltet.
Desweiteren haben Antifaschist_innen ein gutes Dutzend Kundgebungen und Mahnwachen im gesamten Elberfelder Stadtgebiet angemeldet.
Die Demonstration von „Hannas Antifa“ findet ab 18:00 Uhr in Elberfeld ohne Änderungen statt. Allerdings wurde die Auftaktkundgebung – falls die Nazikundgebung genehmigt wird – zu der Haltestelle Schauspielhaus (vor dem CinemaXX) verlegt.

Inga Lindner: „Das wird ein wichtiger Tag für antifaschistische Arbeit in Wuppertal. Wir hoffen, dass sich viele Antifaschist_innen, in Vohwinkel, Elberfeld und sonstwo, an den Aktivitäten beteiligen.

Im Folgenden dokumentieren wir den Aufruf „Keine Naziprovokation am 9. November in Wuppertal-Elberfeld!“, sowie weitere Pressemeldungen.

Keine Naziprovokation am 9. November in Wuppertal-Elberfeld!

„Erinnern heißt Handeln“
(Esther Bejarano – Auschwitz-Überlebende)
Treffpunkt für Gegenaktivitäten 17:00 Uhr vor der Schwebebahnhaltestelle Döppersberg
Heraus zur antifaschistischen Gedenkdemonstration vor den Häusern der Nazis in Vohwinkel!
17:30 Uhr Lienhard-Platz

Unter diesem Motto wird am 9. November mit einer großen antifaschistischen Demonstration in Wuppertal-Vohwinkel der Pogromnacht vom 9. November 1938 gegen die jüdische Bevölkerung gedacht. Diese Demonstration findet nicht zufällig in Vohwinkel statt: Sie richtet sich gleichzeitig gegen die sich häufenden gewalttätigen Provokationen von Nazis in diesem Stadtbezirk. Es ist ein großer Erfolg, das es endlich zu einer von der Zivilgesellschaft breit unterstützten Demonstration vor den Häusern der Nazis in Vohwinkel kommt.
Diesen politischen Erfolg wollen die Wuppertaler Nazis um Kevin Koch und Lasse Femers durch eine für den 9. November angemeldete Nazikundgebung in Elberfeld untergraben.
Dies darf nicht zugelassen werden! Im Wuppertaler Bündnis „Kein Platz für Nazis“ ist verabredet, alle Anstrengungen zu unternehmen, diese Kundgebung zu unterbinden.
Naziprovokationen sind nicht zu dulden. Grundsätzlich nicht und erst recht nicht zu diesem Datum!
Wir sammeln uns daher um 17:00 Uhr – parallel zur Demonstration in Vohwinkel- an der Schwebebahn Haltestelle Döppersberg, um die Nazis in die Schranken zu weisen.
Wir fordern alle Einwohner*innen dieser Stadt auf: Helft mit, unterstützt alle erforderlichen Aktionen um die Nazi-Propaganda und die gefährlichen Nazi-Umtriebe zu verhindern.
Wuppertal hat keinen Platz für Nazis!
Es bleibt dabei: Antifaschismus ist Handarbeit!
Organisieren wir die antifaschistische Selbsthilfe!
Kommt alle, bringt eure Crews und Familien mit!

Radio Wuppertal: Polizei verbietet Nazi-Demo in Elberfeld
Die Polizei hat die geplante Nazi-Demo am kommenden Mittwoch verboten. Von der Polizei gab es für die Demo in Elberfeld keine Genehmigung. Allerdings rechnet die Polizei damit, dass die Veranstalter gegen das Verbot Rechtsmittel einlegen werden. Eine Demo wird aber am 9. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, stattfinden: Dabei handelt es sich um eine große Demo gegen Rechtsradikale in Vohwinkel. Aufgerufen haben die Initiative für Demokratie und Toleranz sowie Kirchen, Politik und Gewerkschaften. – 04.11.2011

wdr.de: Polizei verbietet Rechten-Demo
Eine geplante Demonstration von Rechten am 9. November in Elberfeld hat die Polizei vorerst verboten. Sie widerspreche der Erinnerung an die Pogromnacht 1938. Gegen den Beschluss will der Antragsteller beim Verwaltungsgericht klagen. Für den 9. November hat auch die Wuppertaler „Initiative für Demokratie und Toleranz“ zu einem Schweigemarsch gegen rechts in Vohwinkel aufgerufen. Dort hatten sich in den vergangenen Monaten rechte und linke Gruppen immer wieder Auseinandersetzungen geliefert. – 03.11.2011

WZ: Polizei: Nazi-Demo nicht genehmigt
Die Polizei hat eine für den 9. November angemeldete Demonstration von Neonazis in Wuppertal nicht genehmigt. Das bestätigte gestern ein Behördensprecher. Begründung: Der 9. November sei ein Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. An einem solchen Tag sei eine vom Anmelder geplante Demonstration gegen Antifaschismus nicht genehmigungsfähig. Bei einem sogenannten Kooperationsgespräch habe der Anmelder angekündigt, die Ablehnung vor dem Verwaltungsgericht anfechten zu wollen. Die Neonazi-Demo sollte nicht in Vohwinkel stattfinden. Bekanntermaßen ist dort am 9. November eine Demonstration der Initiative für Toleranz und Demokratie geplant. Wie berichtet, hat sich in Vohwinkel eine neue Neonazi-Szene gebildet. Aus deren Kreis ist es laut Polizei am Vohwinkel-Wochenende zu einem gewalttätigen Übergriff auf Personen aus dem linken Spektrum gekommen. Red – 03.11.2011

Wuppertaler Rundschau: Rechte Demo verboten
Untersagt hat die Wuppertaler Polizei eine von der rechten Szene geplante Kungebung am 9. November. „In dieser unmittelbaren zeitlichen Umgebung der Reichspogromnacht kommt eine Genehmigung für uns überhaupt nicht in Frage“, erklärte am Mittag ein Polizeisprecher. Der Anmelder, ein Wuppertaler, habe allerdings bereits angedeutet, nun vor dem Verwaltungsgericht die Genehmigung erzwingen zu wollen. – 03.11.2011

Wuppertaler Rundschau: Keine rechte Demo
Auf der ganzen Linie bestätigt sieht sich die Wuppertaler Polizei mit
ihrer Ablehnung einer von der rechten Szene geplanten Kundgebung am 9.
November 2011. Wie ein Polizeisprecher am Montag, 7. November,
mitteilte, kam das vom Anmelder angerufene Verwaltungsgericht in
Düsseldorf zu der gleichen Einschätzung, dass eine solche Veranstaltung
in unmittelbarer zeitlichen Umgebung der Reichspogromnacht nicht in
Frage komme. Die Tatsache, dass die komplette Begründung für diese
Entscheidung übernommen wurde, sieht die Polizei als wichtiges Signal,
dass das Verbot auch vor dem möglicherweise nun eingeschalteteten
Oberlandesgericht Bestand haben wird. – 07.11.2011

Radio Wuppertal: Auch Gericht verbietet Nazi-Demo in Elberfeld
Es bleibt dabei: Nazis dürfen morgen in Elberfeld nicht demonstrieren. Die Wuppertaler Polizei hatte eine geplante Kundgebung der Rechtsextremisten nicht genehmigt. Dagegen waren die Nazis vor Gericht gezogen. Aber das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat die Rechtsauffassung der Wuppertaler Polizei bestätigt, damit bleibt die Demo verboten. Die Polizei argumentiert unter anderem damit, dass ein Nazi-Aufmarsch ausgerechnet am Jahrestag der Reichspogromnacht nicht angebracht ist. Die Nazis haben allerdings die Möglichkeit, auch noch das Oberverwaltungsgericht einzuschalten. – 08.11.2011

Radio Wuppertal: Nazis unterliegen auch vor Oberverwaltungsgericht
Eine Nazi-Gruppe ist erneut mit dem Versuch gescheitert, eine Erlaubnis für eine Demo in Elberfeld zu bekommen. Nachdem die Polizei die geplante Demonstration untersagt hatte und auch das Verwaltungsgericht Düsseldorf Nein gesagt hatte, waren die Nazis vor das Oberverwaltungsgericht gezogen. Das enschied heute im Sinne der Polizei – also dürfen die Nazis nicht demonstrieren. Grund für das Verbot ist, dass morgen der Jahrestag der Reichspogromnacht ist. Ein Nazi-Aufmarsch an diesem Tag sei eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, argumentiert das Gericht. Den Nazis bleibt jetzt noch die Möglichkeit, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. – 08.11.2011

Wuppertaler Rundschau: OVG-Urteil: Rechte Demo endgültig verboten
Auch vor dem Oberverwaltungsgericht gescheitert sind Initiatoren aus der rechten Szene, die am 9. November 2011 in Elberfeld eine Kundgebung veranstaltet wollten. Wie schon die Vorinstanz bestätigten auch die höchsten Verwaltungsrichter im Land am Dienstag (8. November 2011) das Verbot der Wuppertaler Polizei, die eine solche Veranstaltung in unmittelbarer zeitlichen Umgebung der Reichspogromnacht nicht genehmigt hatte.
Die Begründung des OVG: „Mit Blick auf die geschichtsgeprägte Identität Deutschlands ist es mit einem würdigen Gedenken der Opfer nicht vereinbar, wenn eine Gruppe, die sich als ,Nationale Sozialisten Wuppertal‘ bezeichnet, unter einem Motto, das gleichfalls das Begriffspaar .sozial und national‘ verwendet, an einem 9. November gegen den Missbrauch des Gedenkens an die Reichspogromnacht durch Angehörige des linken Spektrums protestiert.“ Und weiter: „Daher leuchtet es unmittelbar ein und ist auch verfassungsrechtlich tragfähig, wenn die Versammlungsbehörde der Durchführung einer Kundgebung durch Personen aus dem Umfeld rechtsextremer ,Kameradschaften“‚ an diesem Gedenktag eine Provokationswirkung zumisst und dies als Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung des sittlichen Empfindens der Bürgerinnen und Bürger bewertet. Dies gilt im konkreten Fall umso mehr, als die vom Antragsteller gewählte Parole ,Frei, sozial und national! Gegen antifaschistische Hetze und Presselügen‘ ebenso wie die Bezeichnung der die Versammlung im Internet bewerbenden Gruppe der ,Nationalen Sozialisten Wuppertal‘ unmissverständlich auf eine direkte Verbindung zum Nationalsozialismus hinweist.“
Die Wuppertaler Polizei hatte die Kundgebung unter Hinweis auf die Gefährdung der öffentlichen Ordnung abgelehnt. Den Antragstellern bleibt nun noch der Gang vor das Bundesverfassungsgericht. – 08.11.2011

Ein Gedanke zu „Gedenken und Naziprovokationen

  1. wdr.de: Initiative warnt vor Rechten
    Die Initiative für Demokratie und Toleranz warnt vor der rechten Szene in Wuppertal. Sebastian Goecke sagte dem Westdeutschen Rundfunk, die Lage im Stadtteil Vohwinkel könne eskalieren: „Die haben so ein Selbstbewusstsein, dass sie sehr dominant auftreten, markante Plätze besetzen. Es gibt auch Pöbeleien gegenüber Migranten, politische Gegner werden verfolgt und geschlagen und dementsprechend versuchen die so eine Angst zu verbreiten, dass sich keiner mehr traut, sie anzuzeigen, weil er befürchten muss, dass es Konsequenzen für ihn gibt. Wir halten es für ganz wichtig, dass es endlich eine massive Strafverfolgung gibt. Die Rechten sollen nicht so eine Dominanz bekommen. Wir haben am 9. November geschafft ein Zeichen zu setzen, wo wir gezeigt haben, wie viele Leute das nicht ertragen möchten.“ Bei der Demonstration am 9. November hatten cirka 2.000 Wuppertaler der Opfer des Naziregimes gedacht und gegen Übergriffe von Neonazis in Vohwinkel protestiert. (16.11.2011)

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