Gegen das Vergessen – Gedenkveranstaltung in der Wenzelnbergschlucht

Auf Langenfelder Stadtgebiet, in der so genannten Wenzelnbergschlucht, erschoss die Gestapo in den letzten Tagen der faschistischen Herrschaft 71 Häftlinge, die überwiegend aus dem Zuchthaus Lüttringhausen kamen. Paarweise aneinander gebunden, mussten die Gefangenen an einer Grube niederknien und wurden mit Genickschüssen ermordet und anschließend verscharrt – nur 4 Tage vor Kriegsende. Am Sonntag, 10. April findet die jährliche Gedenkveranstaltung in der Wenzelnbergschlucht statt. Treffpunkt: 10:00 Uhr, Parkplatz Hotel Lohman (Gravenberg) an der Stadtgrenze Solingen/Langenfeld. Um 10:30 Uhr startet die Gedenkdemonstration zur Wenzelnbergschlucht mit anschließender Gedenkveranstaltung.
Die Morde in der Wenzelnbergschlucht am 13. April 1945
Der SS- Obergruppenführer Karl Gutenberger hatte schon Ende September 1944, bei einem Treffen mit Leitern der Rheinland – Westfälischen Polizeibehörden und den Generalstaatsanwälten des Wehrkreises erläutert, dass die Insassen der polizeilichen Haftstätten und Strafanstalten, die sich in Frontnähe befanden, „unter allen Umständen beseitigt werden“ müssten.
Generalfeldmarschall Model, Befehlshaber der Heeresgruppe B im damaligen Ruhrkessel, erteilte am 7. April 1945 den Befehl, dass „Zuchthausinsassen und politische Untersuchungsgefangene zur Überprüfung den Sicherheitsorganen zu übergeben“ seien. Eine „nähere Regelung“ treffe der Höhere SS- und Polizeiführer. Im Falle der Häftlinge im Zuchthaus Lüttringhausen, war dies SSObergruppenführer Gutenberger, dessen Stab im April 1945 in Wuppertal untergebracht war.
Zur „Überprüfung und Auflistung“ der Lüttringhauser Häftlinge erschienen am 10. April 1945 vier Gestapobeamte beim Direktor des Lüttringhauser Zuchthauses Dr. Karl Engelhardt. Dieser lehnte eine „Überprüfung und Auflistung“ aus formalen Gründen ab, entschied sich aber später auf Druck des Wuppertaler Gestapochefs Josef Hufenstuhl dafür, selbst eine Liste von Gefangenen anzufertigen.
Wie nach Kriegsende von Dr. Engelhardt beschrieben, nahm er entgegen den Forderungen des Gestapochefs nur Personen in seine Liste auf, „die entweder schwerstens kriminell belastet oder politisch verhältnismäßig harmlos oder der Wuppertaler Polizei als Funktionäre bestens bekannt waren.“
Die Liste enthielt laut Engelhardt „weniger als 90 Namen“. Gemeinsam mit Generalstaatsanwalt Hagemann, seinem Dienstvorgesetzten, versuchte Engelhardt am 11. April bei Gutenberger, den er allerdings nicht persönlich antraf, für die Häftlinge zu intervenieren. Am Abend desselbigen Tages wurde ihm durch die Gestapo mitgeteilt, dass am nächsten Tag alle auf der Liste befindlichen Häftlinge abgeholt werden sollen.
Mit Hilfe seiner Mitarbeiter gelang es Engelhardt, eine große Anzahl von politischen Häftlingen in Sicherheit zu bringen, indem sie auf Außenkommandos abgeschoben wurden.
Er lieferte 60 Häftlinge, darunter 10 politische, an die Gestapo aus. Sie wurden am 12. April in das Wuppertaler Polizeipräsidium verbracht. Am 13 April wurden in aller Frühe die 60 Häftlinge aus Lüttringhausen gemeinsam mit vier Häftlingen aus dem Zuchthaus Wuppertal – Bendahl und vier russischen und polnischen Zwangsarbeitern aus dem Polizeigefängnis Ronsdorf in die Wenzelnbergschlucht verbracht. Dazu kommen drei Personen, deren Herkunft und Namen bis heute nicht bekannt sind. Die Gefangenen wurden mit Lastkraftwagen bis an die Sandgrube gefahren, mussten sich dort zu zweit aufstellen, wurden mit Draht aneinander gefesselt, mussten sich hinknien und wurden dann mit Genickschuss ermordet. Am 17 April befreiten amerikanische Truppen Solingen vom Faschismus. Der antifaschistische Widerstandskämpfer Karl Bennert berichtete den amerikanischen Besatzungstruppen von dem Massaker. Unter Leitung des damals 19 jährigen US – Infanteriefunkers Dudley Strasburg griff ein Trupp US-Soldaten 25 bekannte Nazis auf, die die Leichen der ermordeten Häftlinge exhumieren mussten. Nach einer kriminaltechnischen Untersuchung der Leichen durch die Amerikaner wurden später unter großer Anteilnahme der Bevölkerung die Ermordeten vor dem Rathaus in Solingen- Ohligs bestattet. Im Jahre 1965 wurden die Opfer der Nazibarbarei an ihren letzten Ruheort, Mahnmal Wenzelnberg, umgebettet.
Die Namen der Opfer:
1.Ludwig Baumann
2.Hugo Breemkötter
3.Josef Breuer
4.Leopold Choncenzey
5.Wilhelm Clemens
6.Christian Döhr
7.Heinrich Dietz
8.Adolf Führer
9.Bernhard Funkel
10.Wilhelm Fatscher
11.Johann Galwelat
12.Otto Gaudig
13.Karl Gabowski
14.Wilhelm Gietmann
15.Albert Grandt
16.Johann Hense
17.Adolf Hermanns
18.Karl Horn
19.Wilhelm Hanrath
20.Hans Holzer
21.Ferdinand Jahny
22.Wincente Jankowski, Polen
23.Hermann Jäger
24.Friedrich Knopp
25.Artur Koch
26.Friedrich Kamleiter
27.Jakob Krieger sen.
28.Josef Kuhnt
29.Heinrich Kubick
30.Rudolf Käferhaus
31.Daniel Kresanowski, UdSSR
32.Walter Kuhlmann
33.Wilhelm Kranz
34.Max Lang
35.Erich Lohmer
36.Paul Liszum
37.Hermann Landtreter
38.Horst Lettow
39.Henri Liebisch
40.Ferdinand Margreiter
41.Heinrich Marth
42.Otto Markus
43.Gustav Marnitz
44.Franz Müller
45.Walter Nell
46.Josef Nikolay
47.Hubert Offergeld
48.Heinrich Rode
49.Adolf Röder
50.Herbert Runkler
51.Sylvester Sniatecki
52.Heinrich Schlieper
53.Karl Schulz
54.Wilhelm Stangier
55.Mitrofan Saitzki UdSSR
56.Franz Spitzlei
57.Theodor Schmidt
58.Johann Schyra
59.Paul Tegethoff
60.Max Thiemann
61.Josef Thiemann
62.Heinrich Tries
63.Paul Wodzinski
64.Karl Wallraven
65.Hans Wimmershof
66.Wilhelm Wigeroth
67.Viktor Wolynec UdSSR
68.August Zywitzki
69.Unbekannt
70.Unbekannt
71.Unbekannt
Und dies sind die Täter vom Wenzelnberg:
Von der Gestapo Wuppertal waren beteiligt: Hufenstuhl, Goeke, Blume, Dahlmann, Ilvermann, Kloß, Schalenberger, Hornberger und Michels.
Von der Gestapo Solingen waren beteiligt: Burmann, Nees, Wald, Endes, Vogel, Schwarz, Schneller, Jessinghaus, Zymni und Mertens.
Keiner der namentlich bekannten Gestapo- und Kripobeamten wurde je für die Morde in der Wenzelnbergschlucht bestraft, denn nach §6 des „Straffreiheitsgesetzes“ von 1954 sollte Straffreiheit für all jene Straftaten gewährt werden, die „unter dem Einfluss der außergewöhnlichen Verhältnisse des Zusammenbruchs zwischen dem 1. Oktober 1944 und dem 31. Juli 1945 in der Annahme einer Amts-, Dienst- oder Rechtspflicht insbesondere auf Grund eines Befehls“ begangen worden waren. Dies war de facto die Generalamnestie für alle Mörder, die sich „Kriegsendphasen-Verbrechen“ schuldig gemacht hatten.

Ein Gedanke zu „Gegen das Vergessen – Gedenkveranstaltung in der Wenzelnbergschlucht

  1. Pingback: Antifa-Café Wuppertal » Terminhinweis: Gedenkveranstaltung in der Wenzelnbergschlucht am 06.April

Kommentare sind geschlossen.