Stellungnahme zum Film von Reiko Pinkert (u.a.) zum V-Mann Jan Pietsch

Wir haben die Fähigkeiten und Absichten des NDR-Journalisten Reiko Pinkert leider richtig eingeschätzt. Der NDR-Film ist noch schlechter als wir befürchtet haben. Wir sind froh, dass wir uns an diesem Film als Betroffene des Spitzeleinsatzes nicht beteiligt haben.

Wesentliche Teile des NDR-Films basieren auf den Interviews mit Pietsch aus dem Jahre 2020. Und leider transportierten die mit den politischen Verhältnissen in Wuppertal und Solingen ins keinster Weise vertrauten Interviewer nur die Perspektiven und die Lügen des V-Manns. Besonders die Nachfragen zum Solinger Brandanschlag und zum V-Mann Bernd Schmitt sind viel zu unpräzise und leider ohne jede Sachkenntnis.

Auch dass Pietsch schon 1994, weil er angeblich Gewissensbisse bekam, aussteigen wollte, ist ein schlechter Witz. Seine „militante Phase“ mit staatlich genehmigten Brandanschlägen und Einbrüchen begann erst 1994. Er verschwand schließlich 1999 mit einer Abfindung. Erstaunlich an diesem Film ist auch, dass Pietsch im Film mal so eben schildert, dass er mit Wissen und der Genehmigung des Verfassungsschutz NRW an einem Brandanschlag in Solingen beteiligt war. Sogar NDR-Investigativ-Journalist:innen wie Reikert könnten sich (in ihrem Film) fragen, auf welcher Rechtsgrundlage V-Leute so was machen dürfen. Wir wollen es verraten: Nach damaligem und heutigem Recht war und ist das V-Leuten verboten. Das stellte auch die damalige VS-Spitze in NRW, Fritz-Achim Baumann, quasi der Vorgesetzte von Pietsch, am 10. Juni 1994 in der FAZ mit Bezug auf den V-Mann Bernd Schmitt klar: „Straftaten eines V-Manns [würden] weder gebilligt noch gedeckt.“ Dass die staatlich alimentierten Straftaten z.B. von V-Mann Pietsch im SPD-regierten NRW munter weitergingen, auch das könnte mal Gegenstand einer (parlamentarischen) Aufarbeitung sein. Peinlich für ein „investigatives Format aus der Panorama-Familie“ ist auch die Behauptung, dass die „Sicherheitsbehörden“ aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hätten und heutzutage alles rechtlich sauber mit V-Leuten läuft. Schon vergessen, welche Bedeutung die V-Leute im NSU-Komplex hatten? Oder auch schon die aktive Rolle des V-Mann des LKA NRW verdrängt, der fleißig am islamistischen Netz mitspann und Anis Amri, den Attentäter des islamistischen Massaker auf dem Breitscheid-Platz, u.a. nach Berlin chauffiert hat. Stattdessen geht es im Film um das Wohlbefinden des Spitzels. Was so ein 10 jähriger Spitzeleinsatz für die Betroffenen bedeutet, spielt hingegen kaum eine Rolle.
Wir werden auf jeden Fall nach der Landtagswahl und im Kontext des 29. Jahrestages des Solinger Brandanschlags am 29. Mai 2022 einen neuen Vorstoß machen, eine parlamentarische Untersuchung in NRW in Bezug auf Hak Pao und den Solinger Brandanschlag auf den Weg zu bringen. Alles andere, insbesondere über die Rolle von Pietsch bei der Abschirmung von V-Mann Bernd Schmitt und über die Rolle des VS beim Solinger Brandanschlag, haben wir genauer in unseren beiden Erklärungen und im AK-Interview formuliert.

Die Stellungsnahmen von unserer Seite:
https://antifacafewuppertal.noblogs.org/post/2020/06/21/rechercheartikel-zur-enttarnung-eines-v-manns-der-staatsschutzbehoerden-nrw-der-in-den-1990iger-ueber-jahre-in-wuppertal-und-solingen-aktiv-war/

„Bei uns hieß er Jan Pietsch!“ – neues zum VS-Spitzel aus Wuppertal und Solingen


https://www.akweb.de/politik/die-rolle-des-verfassungsschutzes-beim-rassistischen-brandanschlag-in-solingen/

Einige Autonome Antifaschist*innen aus den Neunzigern – Wuppertal – 26.4.2022