Wir dokumentieren an dieser Stelle die heutige Presseinformation der “Antifaschistischen Initiative Wuppertal”:
Flohmarkt-Berufungsprozess startet
Sachdienstliche Hinweise und frische Zeugen für die unwillige Justiz
Am 2. Dezember 2013 geht der sog. Flohmarkt-Prozess gegen die Wuppertaler Nazis in die nächste Runde. Wir wollen die Prozesseröffnung nutzen, um erneut auf die laienhaften und unseriösen Ermittlungen des Staatschutzes und der Staatsanwaltschaft hinzuweisen. Denn genauso wie beim Cinemaxx-Prozess muss man offensichtlich die staatlichen Häscher*innen zum Jagen tragen…
Zur Erinnerung:
Angeklagt sind die Nazis Michele Dasberg, Mike Dasberg, Rene Heuke und Matthias Drewer, u.a. wegen gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung. Die Gewalt der Wuppertaler Nazis hatte in der Nacht zum 25.9.2011 einen neuen Höhepunkt erreicht. Linke Flohmarktbesucher*innen wurden von einer mindestens 12-köpfigen Nazigruppe mit Knüppeln und Fahnenstangen angegriffen.
Begonnen hatte der Naziüberfall mit einem körperlichen Angriff der beiden Dasberg-Brüder Mike und Michele Dasberg auf zunächst zwei Personen aus der Punkszene in der Nähe einer Döner-Bude auf der Kaiserstr. Zur Verstärkung kam dann unverzüglich aus dem Wohnhaus Kaiserstr. 30 ein Trupp bewaffneter und zum Teil vermummter Nazis und griff ‚linksaussehende’ Leute an. Die Nazis knüppelten gezielt auf die Köpfe der Menschen, die zum Teil schwere Kopfverletzungen zu erleiden hatten.
Als Täter*innen wurden u.a. Mike und Michele Dasberg und der Neonazi Matthias Drewer aus Hamm erkannt. Mike Dasberg hielt eine junge Frau fest, Drewer schlug mit dem Knüppel mehrfach auf ihren ungeschützten Kopf ein. Die schwere Kopfplatzwunde musste später im Krankenhaus chirurgisch versorgt werden, es bestand Verdacht auf einen Schädelbruch. Insgesamt wurden 4 Personen durch Knüppelschläge am Kopf verletzt und mussten ärztlich versorgt werden.
Die Nazis konnten unbehelligt in das Wohnhaus Kaiserstr. 30, in der sich die Wohnung des Nazis Rene Heuke befand, zurückflüchten. Ein anderer Nazi hatte den vorbereiteten Überfall die ganze Zeit mit einer Kamera gefilmt.
Wenig später durchsuchte die Bereitschaftspolizei die Naziwohnung und traf noch 13 Nazis an. Die hatten ihre Knüppel und Sturmhauben noch vor dem polizeilichen Zugriff auf das benachbarte Dach geworfen, was von der Polizei jedoch erst am Tag danach auf Hinweise der Nachbar*innen entdeckt wurde.
In der anschließenden Pressemitteilung der Polizei wurde der bewaffnete Nazi-Überfall zunächst wieder einmal zu einer Rechts-Links-Schlägerei heruntergelogen. Die zunehmende Nazigewalt in Wuppertal, – nach Messerangriffen, körperlichen Attacken in der S-Bahn u.a. mit Pfefferspray, jetzt die Knüppelschläge auf ungeschützte Köpfe, wurde weiter verharmlost, obwohl es sich eindeutig um einen, dem Ablauf nach, geplanten und bewaffneten Überfall durch organisierte Nazis auf alternativ-aussehende Menschen handelte! Zudem: wer mit Knüppeln auf ungeschützte Köpfe eindrischt, kann niemals ausschließen, dass das Opfer stirbt.
„Die Gruppe sei ohne erkennbare Führungsstruktur. (…) Eine Verbindung zu rechtsradikalen Parteien oder Organisationen sei bislang nicht erkennbar.“ (sog. Erkenntnisse des Wuppertaler Staatsschutzes, WZ 2.12.2010)
In der Nazi-WG Kaiserstr. wurden nach dem Überfall insgesamt 13 Nazis festgenommen. Neben den Angeklagten waren das namentlich: Kevin Koch, Natalie Märtens, Thomas Dahm, Maik Hilgert (NPD), Robert Malcoci (Mönchengladbach), Meik Inderhees (Viersen), Gourny Kotronis, Patrick Prass, Yvonne Faust. Unverständlicherweise wurden die Verfahren gegen diese Nazis allesamt eingestellt und es gab bis auf die Vernehmung von Patrick Prass keinen Versuch die Nazis als Zeugen vor Gericht zu befragen. Warum?
Bei dem Prozess vor dem Amtsgericht wurde der organisierte Hintergrund des Überfalls vollkommen negiert, die Hintermänner und -frauen der Kameradschaft „Nationale Sozialisten Wuppertal“ (u.a. Kevin Koch, Marie Leder usw.) blieben unbehelligt. Warum?
Bis heute spielen die organisierten Strukturen der Nazikameradschaft „Nationale Sozialisten Wuppertal“ in den Ermittlungen keine Rolle. Während die Nazi-Kameradschaften in den Nachbarstädten (Dortmund, Hamm, Aachen, Köln) verboten bzw. sogar als kriminelle Vereinigungen eingestuft und entsprechend verfolgt werden (AB Mittelrhein, Freundeskreis Rade), werden die Wuppertaler Führungskader wie Kevin Koch, Marie Leder, Daniel Borchert, Sascha Pohlmann und Tobias Maczewski in Ruhe gelassen. Warum?
Das könnte sich jetzt – mit ein bisschen öffentlichem Druck – ändern:
Parallel zur Untätigkeit der Wuppertaler Behörden läuft bekanntlich seit über einem Jahr vor dem Landgericht in Koblenz ein Großverfahren gegen Nazikader aus dem Rheinland wg. des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer kriminellen Nazivereinigung. Dieser überregionalen Nazistruktur wird u.a. die Organisation und die Beteiligung an Nazi-Überfallen auch in Wuppertal angelastet. So waren die Überfälle auf das Cinemaxx und auf den Infostand im Vorfeld des Naziaufmarsches in Wuppertal 2011 überregional organisierte Aktionen.
Zuletzt sorgte der Zeugenauftritt der Wuppertaler „Nazi-Aussteigerin“ Marie Leder in Koblenz für Aufmerksamkeit. Bei ihrer umfangreichen Aussage sprach die ehemalige Anführerin der Wuppertaler Nazi-Kameradschaft ausführlich über die Strukturen der „Nationalen Sozialisten Wuppertal“. Thema war ebenfalls der Flohmarkt-Überfall. Kürzlich ließ Leder sogar verlauten, dass der Überfall vorher geplant war.
Die von den Nazis zur Polizei übergelaufene Nazi-Kaderin Marie Leder hat zudem beim LKA in Düsseldorf umfangreiche Aussagen zur hiesigen Kameradschaft „Nationale Sozialisten Wuppertal“ gemacht und dabei aus dem braunen Nähkästchen geplaudert. Kostproben gab es schon beim Cinemaxx-Verfahren, bei dem die interessierte Öffentlichkeit leider ausgeschlossen war…
Interessiert man sich in Wuppertal nicht für organisierte Hintergründe von Nazi-Überfallen oder muss die Wuppertaler Staatsanwaltschaft mal wieder V-Leute vor Enttarnung schützen?
Einige Arbeitsaufträge …
1. Wer sich für die Strafverfolgung von organisierten und gewalttätigen Nazis interessiert, der könnte die umfangreichen Aussagen von Leder beim LKA in Düsseldorf besorgen, in den Wuppertaler Prozess einführen und die neue Kronzeugin zu dem geplanten Überfall befragen.
2. Da das Verfahren gegen die oben aufgeführten 13 Nazis eingestellt wurde, wäre eine engagierte Befragung der Nazis als Zeugen hilfreich, insbesondere weil Kevin Koch ja sogar eine „Gegenanzeige“ gegen die verletzten Antifaschist*innen gestellt hatte.
3. Es gab Zeugenaussagen, dass der Überfall von den Nazis gefilmt worden ist. Die Polizei hat aber versäumt in der Tatnacht, die Handys und Videokameras der Nazis einzusammeln und auszuwerten. Wenn die Nazis ihre geliebten Telefone nicht in die Wupper geworfen haben, könnte man noch was finden…
4. Erstaunlich ist auch, dass die erst später auf dem Dach gefundenen Knüppel und Sturmhauben nicht auf Spuren untersucht wurden. Das würde die Zuordnung der Waffen doch erheblich erleichtern…
5. Nicht hinzunehmen ist, dass der in der Nazi-WG festgenommene Nazi Thomas Dahm in Sichtweise seiner Arbeitsstelle „in der Fleute“ Naziaufkleber verklebt und im Betrieb migrantische Kollegen belästigt. Näheres werden wir dem Betriebsrat und der Geschäftsführung des international tätigen Konzerns zur Kenntnis bringen…
4. Weiterhin möchten wir auf den Arbeitsplatz von Gourny Kotronis und Natalie Märtens hinweisen: Das ausgerechnet überzeugte Nazis in der Einrichtung Cafe Döpps als Sozialhelfer*innen mit Obdachlosen und Drogenusern arbeiten, ist ein weiterer Skandal! Dass Obdachlose und Arme eine Hauptopfergruppe der Nazis sind, muss ja wohl nicht näher erläutert werden.
Antifaschistische Initiative Wuppertal, 2.12.2013
Posting von Lukas Bals auf Facebook am 05. Mai 2013
v.l.n.r.: Daniel Borchert, Michele Dasberg, Nadine Kürten (Freie Nationalisten Leverkusen), Tobias Maczewski, Yvonne Faust, Mike Dasberg, Peter Salber (Kameradschaft Aachener Land), Lukas Bals
Die angeklagten Brüder Mike und Michele Dasberg
Michele Dasberg, Peter Salber (Kameradschaft Aachener Land), Kevin Koch, Mike Dasberg
Rene Heuke und Thomas Dahm
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Schlagstöcke auf Vorrat
Vohwinkel-Prozess: Angeklagter bricht sein Schweigen / Lückenhafte Beweisaufnahme
Ein Vorrat an Schlagstöcken habe in seiner Wohnung bereit gelegen, mehr als zehn Komplizen aus der rechten Szene hätten sich daran bedient, um sich in ein Kampfgetümmel vor dem Haus zu stürzen: Mit dieser Einlassung – verlesen durch einen Anwalt – brach erstmals ein 26-jähriger Angeklagter vor dem Landgericht sein Schweigen. Nach 27 Monaten Strafverfahren.
Bei einer Schlägerei in den Morgenstunden des Vohwinkler Flohmarktes 2011 hatten linke Marktbesucher Kopfplatzwunden erlitten. Das Amtsgericht hatte vier Rechte (22 bis 29 Jahre alt) wegen gefährlicher Körperverletzung zu Gefängnis verurteilt. In der jetzt laufenden Instanz streben sie teilweise Freisprüche, teilweise mildere Strafen an.
„Ganz grauenhaft“
Zwei der Angeklagten schweigen weiter zu den Vorwürfen. Eine Zeugin (45) kann inzwischen nicht mehr aussagen: Nach Informationen aus Justizkreisen ist sie psychisch erkrankt, womöglich aus Angst vor den Angeklagten und ihrem Umfeld. Sie hat eingewilligt, sich von einem Gerichtspsychiater untersuchen zu lassen. Im Januar hatte sie vor dem Amtsgericht das „ganz grauenhafte Geräusch“ beschrieben, das von den Knüppelschlägen auf die Köpfe der Opfer kündete. Sie hatte sich als unbeteiligte Augenzeugin von sich aus bei der Polizei gemeldet.
Falscher Vermerk?
Die Anwälte der Angeklagten kritisierten, was schon vor dem Amtsgericht aufgefallen war: Eine Fülle an der Schlägerei unbeteiligten Zeugen sind nie von der Polizei befragt worden. Ein Markthändler habe mitgeteilt, er stehe nicht zur Verfügung, zitierte ein Verteidiger aus der Akte: „Steht denn den Zeugen frei, ob sie aussagen?“ Der damalige Ermittlungsleiter der Polizei ließ das offen… Eine Aktennotiz lässt laut Verteidigung den Schluss zu, dass der Mann eine Fahnenstange – also eine mögliche Tatwaffe – an einem der Angeklagten zurück gegeben hat. Der Vermerk müsse wohl falsch sein, sagte der Beamte.
In die Kritik geriet auch einer der ehrenamtlichen Schöffen-Richter: Er ist Mandatsträger für Die Linke in Remscheid. Ein Ablehnungsgesuch wies das Landgericht ab: Die politische Gesinnung des Schöffen sei ohne Belang.
* Zur Fortsetzung hat das Gericht Termine bis in den Februar anberaumt.
01.01.2014 – Felix Brandner
Berufungs-Prozess wegen Prügelei: (13.46 Uhr)
Der Prozess um eine Prügelattacke während des Vohwinkler Flohmarktes 2011 ist heute in die zweite Instanz gegangen. Gegen das Urteil des Wuppertaler Amtsgerichts hatten die vier Männer aus der Rechten Szene sowie die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Die Richter hatten das zum Teil einschlägig vorbestrafte Quartett im Frühjahr zu Haftstrafen zwischen 26 und 30 Monaten verurteilt. Sie sollen mehrere Personen aus dem linken Spektrum massiv attackiert und verletzt haben.